Theaterlexikon der Schweiz, Eintrag

Gian Gianotti

Aus dem Theaterlexikon
* 10.6.1949 Bergell, GR. Lehrerseminar in Chur, Studium der Germanistik und Psychologie an der Universität Zürich.

Mitte der siebziger Jahre Assistenzen und Hospitanzen am →Kammertheater Stok in Zürich, an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin bei →Peter Stein und →Klaus Michael Grüber, am Piccolo Teatro in Mailand bei →Gior­gio Strehler, an den Bouffes du Nord in Paris bei →Peter Brook und am →Opernhaus Zürich.

 

Seither arbeitet Gianotti als freischaffender Regisseur für Schauspiel und Musiktheater in der Schweiz sowie in Deutschland, Frankreich, Italien und Bulgarien.

 

Er inszenierte unter anderem an der

Klibühni in Chur, an deren Aufbau er beteiligt war (unter anderem 1974 Gianottis “Studie für sechs Schauspieler”, 1975 →Adolf Muschgs “Verkauft”, 1986 Nestroys “Häuptling Abendwind”)

Claque in Baden, am →Studio am Montag Bern, am →Stadttheater Luzern (1986 Goethes “Iphigenie”, 1988 Calderóns “Das grosse Welttheater”), am →Stadttheater St. Gallen (1988 Kipphardts “In der Sache J. Robert Oppenheimer” und Stephen Poliakoffs “Land in Sicht”), am →Stadttheater Bern (1987 Frederick Delius’ Oper “Romeo und Julia auf dem Dorfe”, 1990 Cechov “Der Kirschgarten”)

Theater für den Kanton Zürich (1987 Goldonis “Die Verliebten”), am →Theaterhaus Gessnerallee (1993 beziehungsweise 1996 Christoph Baumann/Franz Xaver Nagers Sprechopern “Attinghausen” und “Ds Gräis”), in der →Roten Fabrik Zürich (1997 Uraufführung von →Martin Derungs’ “Robert Walser Aschenbrödel” nach →Robert Walser)

Württembergischen Staatstheatern Stuttgart (1981 Shakespeares “Perikles, Fürst von Tyrus”, 1983 dessen “Ende gut, alles gut” und 2004 “So nah so fern” mit Texten u.a. von Johannes von Tepl)

Volkstheater Rostock (1992 Nestroys “Häuptling Abendwind“).

1993–94 war Gianotti Oberspielleiter am →Schlosstheater Celle, wo er Gryphius’ “Herr Peter Squentz” und Sophokles’ “König Ödipus” inszenierte.

Ausserdem Inszenierungen mit Amateuren, etwa mit

Luzerner Spielleuten (1992 →Paul SteinmannsDas Weite suchen“, 1997 “Vereinsamkeit” und 1998 dessen “MattoMatto” nach Glausers “Matto regiert” im Luzerner Zentralgefängnis).

Gianottis besonderes Interesse galt einer kontinuierlichen Theaterarbeit im Kanton Graubünden, die alle drei Sprachen des Kantons berücksichtigte und in der Schweiz: er erarbeitete regelmässig Inszenierungen mit Amateuren und professionellen Theaterschaffenden in verschiedenen Gemeinden und Regionen, so etwa bei den

Freilichtspielen Chur, die er mitbegründete und deren künstlerische Leitung er 1987–91 innehatte (1981 Goldonis “Campiello“, 1983 →Bertolt BrechtsMutter Courage und ihre Kinder“, 1991 Aristophanes’ “Die Vögel“),  →Auftritt Brecht 1998, →Das Sparschwein 2011

Stadttheater Chur (Strindberg “Fräulein Julie” 1990, Uraufführungen von →Gion Antoni Derungs’ Oper “Il Cerchel magic” 1986 und “Il semiader” 1996)

→in Davos (1989 im Eisstadion die Uraufführung von Martin Derungs’ Oper “→Bündner Wirren, Szenen um Jörg Jenatsch”)

→Mesocco, Samedan, Stampa, Zernez, Splügen, Bergün (1988 →Pol Clo NicolaysIgl spiert d’la Pedra Grossa” als Freilichtaufführung).

→im Veltlin ein eigenes Stück “Confini e no” 1987

→in Zuoz von Jacques Guidon “La Svouta” 2000

→in Schaffhausen: Nestroy “Freiheit in Krähwinkel” 1984, Sastre “Wilhelm Tell hat traurige Augen” 1998, Gianotti/Weilenmann “Ein Hort, dahin ich immer fliehen möge” 2001

→in Altdorf von Franz Xaver Nager/Christoph Baumann die Sprechopern “Attinghausen” 1993 und “Ds Gräis” 1996

→in Willisau: Steinmann “nach Afrika

→in Fribourg: Shakespeare “R&J” Romeo and Juliet, dreisprachig 1989

→im Elsass: Lang “Les sans Culottes“, Ein Reisefestspiel zum Bicentenaire 1790-1989

→in Sofia, Nationaloper: Rossini “L’Italiana in Algeri

→in Rousse, Staatsoper: Donizetti “Don Pasquale“, Mozart “Le Nozze di Figaro“, Rossini “Guglielmo Tell“, Mascagni/Rossini “La Cavalleria rusticana“/”Sabat Mater

Dabei entstanden viele Inszenierungen in rätoromanischer Sprache. Seit 1995 ist Gianotti künstlerischer Leiter des Vereins →theaterforum.ch (Zürich), der spartenübergreifende Projekte realisiert. Diese gründen oft auf literarische Vorlagen und entwickeln jeweils ein Konzept, das verschiedene Kunstrichtungen einbezieht: →Babel,  →KASSANDRA, →AlpineSAGENsagen, →Bach 1720, →Robert Walser ASCHENBRÖDEL

 

In der Zeit seiner künstlerischen Direktion des Theater Winterthur war seine eigene Inszenierungsarbeit weitgehend ein Inszenieren der Programme, eine künstlerische Dienstleistung an/für andere Theatermacher/innen. Jährlich konnte er eine Inszenierung erarbeiten und als Gastproduktion einladen: → Ein Hort, dahin ich immer fliehen mögeBach 1720,  L’Italiana in Algeri,  Don Pasquale,  Le nozze di FigaroFEALAN, Winterthur schreibt eine Oper, TemPest

 

>>>  Inszenierungen
>>>  Alle Produktionen und Inszenierungen im Kanton Graubünden.

 

2000 bis 2010 ist Gianotti künstlerischer Leiter →Theater Winterthur

Ab 2000: Unter der Direktion von Gian Gianotti (2000 – 2010) vermehrte Zusammenarbeit mit direkt produzierenden Häusern, weitgehender Umstieg vom Tournee- hin zum  Gastspieltheater als Haus der Gäste. Reduktion des Angebots Kleinkunst, um das 2001 neueröffnete Casinotheater nicht zu konkurrieren, ansonsten Beibehaltung der Sparten- und Sprachenvielfalt, Aufbau der Schiene für die Jugend und der Lesungen am Nachmittag. Ausbau der Vermittlungsarbeit mit Einführungs- und Publikumsgesprächen. Jährliche Realisierung, resp. Einladung eines eigenen Projektes bis hin zu FEALAN mit über 900 Winterthurer Schulkindern im Mai 2009. Begegnungen, Besprechungen, Themenwochen und Festivals. Stadtkulturpolitisch wurde im Herbst 2000 der Runde Tisch zum Theater gegründet und die stehende Kunst am Bau neu zur jährlich wechselnden Installation definiert.

>>> Interner Link zur Direktion Gianotti, am  →Theater Winterthur

 

1991–95 Lehraufträge am Konservatorium Zürich.
Gianotti war Vorstandsmitglied des →Centre Suisse ITI, ist im Vorstand der →SGTK, die er 1995–2003 präsidierte, und ist Mitglied der Jury zur Vergabe des →Hans Reinhart-Rings, die er seit 1995 präsidiert.

 

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1990 Anerkennungspreis des Kantons Graubünden “in Würdigung seiner Leistungen als Regisseur an bedeutenden Bühnen der Schweiz und in Anerkennung seiner Arbeit als Animator des anspruchsvollen Volkstheaters in Graubünden”.

 

 

Literatur

  • Theater der Rätoromanen: Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur Schriften 18 – 1987, Red. Christian Jauslin
  • Interview mit Gian Gianotti In: Il reflectur/Der Scheinwerfer/Il reflettore 1/1991.
  • T! Theaterzeitschrift des Centre Suisse des ITI, Nr. 2/91: Eva Neugebauer, Rätisches Theater, Brücke zwischen Nord und Süd

 


Autor: Peter Arnold, 2005
Aktualisierung: Gian Gianotti, 2017