Goldoni, CAMPIELLO

1981     S / dt / D / EA

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Skizze von Robert Indermaur
Plakat: Albi Brun

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Goldoni/Eigenproduktion: CAMPIELLO

Freilichtspiele Chur, Gian Gianotti

 

 

 

Carlo Goldoni: Campiello
Übersetzung und Texteinrichtung von Gian Gianotti

Freilichtspiele Chur, Arcas
Premiere: 29. August 1981

 

Inszenierung: Gian Gianotti
Bühnenbild: Robert Indermaur
Kostüme: Barbara Indermaur
Musik: Gusti Berchtold (italienische Volkstänze aus der Zeit)
Regieassistenz: Yvonne Kocherhans
Grafik: Albi Brun

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Besetzung:  

Gasparina: Renata Jenny
Donna Catte: Bethli Obrist
Lucietta, ihre Tochter: Bettina Bisaz
Donna Pasqua: Angelica Biert
Gnese, ihre Tochter: Claudia Carigiet
Orsola: Maria Schmid
Zorzetto, ihr Sohn: Andrea Zogg
Anzoletto: Oliver Krättli
Cavaliere: Rolf Parton
Fabrizio, Onkel der Gasparina: Paul Schmed
Sansuga: Ermanno Chiavi

Musiker:
Gusti Berchtold, Reto Senn, Ruedi Stamm

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18 Vorstellungen:

Premiere 29. August
Vorstellungen täglich vom 31. August bis Mittwoch 16. September

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Gedanken zum CAMPIELLO

Auch wenn es Goldoni in seinen “Memorie” mit dem CAMPIELLO nur so kurz und schnell abrechnet (er widmet ihm nur eine halbe von 600 Seiten), ist ihm ein sehr wertvoller Wurf gelungen. Von seinen 150 Komödien kennt man in deutscher Sprache nur an die 20, und es hätte noch etliche, die einen wahrlichen Genuss bieten könnten. CAMPIELLO ist von einer solchen schlichten komödiantischen Art, die einem Zuschauer einen wahren Genuss im Betrachten der Charaktere vermittelt.

Die Geschichte ist ziemlich banal: Menschen menscheln. Im langen Spiel um soziale Stellung, Konfrontation, um Liebe und Geborgenheit, um Arbeit, Spiel und Profit, gehen da Leute, vor allem Frauen, den Weg des geselligen Zusammenlebens auf einem Platz des alten Venedigs nach.

Dass uns diese “Venezia” des Jahres 1750 erstrebenswert und intakt erscheinen soll liegt sicher nicht im Grundgedanken von Goldoni. Il Campiello (der kleine Platz) ist nicht intakter als andere Plätze, aber dieser lebt. Uns Zuschauern von heute kann das Bild etwas vom italienischen Wohnquartier vermitteln, und zeigen, wie Menschen leben wollen und um menschliche Ansprüche kämpfen. Da sind Leute, die hier und nicht anderswo, die jetzt und nicht irgendwann aktiv leben wollen, Leute, die Bekannte als Bekannte und Fremde als Fremde aufnehmen können. Und das kann uns heute schon noch etwas bedeuten.

Gian Gianotti, Januar 1981

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Zur Übersetzung  

Was ich mit dem Stück versuchen wollte, lag schon im Grundgedanken für die Übersetzung: Ich wollte das mehrheitlich im venezianischen Dialekt geschriebene Stücke in eine Sprache übersetzen, die auch hier als natürlich und dialektal angesehen wird. Das natürliche Spiel vom venezianischen Volk sollte (…) auch übersetzt, italienisch bleiben. (…) Mit dieser Übersetzung  wollte ich versuchen, der Sprache bereits auch die Spielform mit ins Wort zu vermitteln. Das Goldoni-Stück sollte kein Stück von Goldoni werden, sondern ein Goldoni-Stück bleiben.

So habe ich meine Mehrsprachigkeit derart eingesetzt, dass ich das Verständnis von Sprache und Kultur (Lebensform) Italiens mit deutschen Wörtern habe äussern wollen … aber das venezianische Wort ist nicht das italienische, da kamen gewisse Probleme auf. Strehler hat das Stück 1974 in venezianischer Sprache inszeniert, und er kennt die venezianische Volkskultur sehr genau. Goldoni ist kein Pirandello, wie Hebbel kein Krötz. Wie konnte ich nun diese venezianische Volkskultur und Lebensform (…) in eine deutsche Sprache übersetzen?

Venezia, Udine usw. waren noch Mitte des 18. Jahrhunderts Zentren der Ladinischen Sprache Italiens, wie auch noch Chur ein Zentrum der rätoromanischen Sprache war. Venezia und Curia/ Cuera/ Coira/ Cuoira /Cuira … waren ja verwandt. Und dazu blühten auch noch die Beziehungen untereinander. Also: Übersetzung des Stückes von Goldoni nicht nur über die italienische Hochsprache, sondern über die rätoromanische. Und dabei kam mir auch das Bargaiot (der Bergeller Dialekt – laut Caspar Decurtins in seiner Rätoromanischen Chrestomathie 1917: “Bergellisch” als “RUMANSZ D’BREGALIA”) sehr gelegen und zu Hilfe: Das sind Sprachen mit ähnlicher Syntax und mit ähnlichem Wort-“Sinn” (nach Ludwig Wittgenstein) …

So weit kamen wir mit der Übersetzung, dass ein Churer Mädchen nach einer Vorstellung sich lobend sagte: “i ha gär nit gwüsst, dass i so viil Italienisch ka!” … da hatte ich natürlich meine hellste Freude daran.

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Robert Indermaur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Stück

Carlo Goldoni hat das stück 1756 für seine Theatergruppe in Venedig geschrieben. Mit dieser Arbeit wollte er das Gespräch über das einfache Volk in Venedig weiterführen. Er wollte dem Publikum zeigen, dass das Volk nicht dumm, einfältig, streitsüchtig, dekadent und primitiv war. So wurde es meistens in den Komödien und in der öffentlichen Meinung dargestellt. Schon in PUTTA ONORATA (Das ehrliche Mädchen) wollte er dieses Gespräch führen, das gelang ihm aber nur sehr beschränkt. Mit CAMPIELLO, sieben Jahre später, konnte er das Gespräch sehr theaterwirksam führen – die Komödie gefiel.

Sehr durchsichtig in ihrer Einfachheit werden die Charaktere aufeinander losgelassen. Drei Mutter-Frauen kämpfen um ihre Stellung und um ihre Nachkommenschaft. Die zwei Mädchen und der Bub sind ausgewachsene junge Leute, aber trotzdem noch Kinder ihrer Mütter, ihre Kinder! Sie setzen das Spiel der Selbst-Bestätigung fort und wählen sich die Mitspieler fürs Spiel und fürs Leben., und werden noch lange Kinder und Partner als Besitz betrachten und behandeln.

In diesen Lebens-Schwarm sticht auch noch der Cavaliere, der ahnungslos in eine feste Struktur hineinstolpert und seine Freude daran findet. Er ist aber nicht nur zur Freude der Anwohner aufgekreuzt.

Sehr ähnlich wie der Cavaliere kann auch der Zuschauer Gefallen daran finden, zu sehen wie sich da Chancen und Gefahren anbahnen, gefährlich angepeilt und vollkommen offen angegangen werden: Eine Gratwanderung, die heute Menschenleben und Existenzen kosten könnte. Die Personen im Spiel, und höchstwahrscheinlich auch im Lebensbeispiel für Goldoni können sich aber darin bewegen und sich auch recht wohl fühlen, wie es so scheint: denn die “Schwierigkeiten” werden gar nicht angegangen, wie wir sie öfters in unserer Gesellschaft angehen wollen (analytisch, offen und ehrlich, gesprächsbereit!), geschweige denn gelöst. Es sieht so aus, als würden die Probleme bewusst nicht gelöst, um dem Leben nichts Lebenswertes abzunehmen.

Wahrzunehmen und wahrgenommen zu werden ist hier das Wichtigste. Besser Krach als Passivität, besser müde werden in der Konfrontation als frisch und “jung” bleiben in der Vereinsamung.

In der Inszenierung und Goldoni-Studie von Giorgio Strehler 1974 in Mailand am PICCOLO TEATRO wurde das soziale Spiel im CAMPIELLO analysiert. Das soziale Bewusstsein von Carlo Goldoni, seine klare Einsicht in menschliche Beziehungen und Freude an menschlichen Gefühlen und Schwächen mussten somit einen festen Bestandteil der Inszenierung werden: Goldoni als Ethnologe, Kritiker und Politiker der Sprache und des Lebensspiels.

Dieses Gespräch soll auch hier weitergeführt werden.

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Steivan Liun Könz

Gian Gianotti, Ende August 1981

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Das Programmheft:

>>>  CAMPIELLO, Das Programmheft      pdf, 15 Seiten
>>>  Goldoni MEMORIE, Il contenuto      pdf, 1 pagina

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Pressestimmen:

>>>  Vorschau auf das nächste Jahr,  Bündner Zeitung, 4..12.1980
>>>  Goldonis “Campiello” – ein Schauspiel für alle Bündner,  Bündner Zeitung,  16.7.81
>>>  Carlo Goldoni, der Erneuerer der Commedia dell’arte Bündner Zeitung, 23.7.81
>>>  Auf Probenbesuch bei “Campiello”: Noch 23 Tage Schwerarbeit,  Bündner Zeitung, 6.8.81
>>>  Volksnahe Theaterarbeit, Heinz Kerle im Gespräch mit Gian Gianotti,  Bündner Zeitung, 11.8.81
>>>  Eine Stierkampfarena auf dem Arcas in Chur?  Bündner Zeitung, 17.8.81
>>>  Premiere schon fast ausverkauft,  Bündner Zeitung, 27.8.81
>>>  Ich sage lieber ‘huara Saich’ als ‘verdammter Mist’,  Bündner Zeitung, 29.8.81
>>>  Im Dialekt spontan und originell,  Bündner Tagblatt, 31.8.81
>>>  Viel Leben in kleiner Gemeinschaft, Bündner Tagblatt, 3,9,81
>>>  “Campiello” von Steivan Liun Könz mitgezeichnet und interpretiert,  Bündner Zeitung, 12.9.81
>>>  Nach dem “Campiello”: Weiterarbeit wird von der Stadt unterstützt,  Bündner Zeitung, 21.9.81
>>>  Defizitgarantie nicht ausgeschöpft,  Bündner Tagblatt, 17.11.81

 

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