1993 S / D
.
.
Gryphius: PETER SQUENTZ
Schlosstheater Celle, Direktion: Serge Roon
Andreas Gryphius
HERR PETER SQUENTZ, ein Schimpffspiel
Schlosstheater Celle, Direktion Serge Roon
Premiere: 13. August 1993, 20.30 Uhr, Schlossinnenhof / Hauptbühne
Inszenierung: Gian Gianotti
Ausstattung: Alex Müller
Musikalische Einrichtung: Martin Lingnau
Dramaturgie: Martina Rolf
Regieassistenz: Marius Marx
Besetzung:
Herr Peter Squentz: Herbert Karsten
Pickelhäring: Günter Schaupp
Meister Krix: Susanne Burkhard
Meister Bulla Buten: Ercan Durmaz
Meister Klipperling: Marius Marx
Meister Lollinger: Helmut Thiele
Meister Klotz-George: Bernd Lambrecht
Der König: Helmut Dicke
Die Princessin: Christine Passow
Der Marschalck: Eberhard Hoffmann
Doppelinszenierung für den Schlossinnenhof und für die Hauptbühne
(während des Spiels konnte bei Regen in 15 Minuten von der Freilicht- auf die Bühnenvariante umgestiegen werden)
.
.
Ein Gespräch zur Inszenierung, aus dem Programmheft:
Schon bei der ersten Lektüre des Squentz-Textes faszinierte mich sofort ein Satz in der 1. Szene, “Der Mond muss darbey seyn, wenn wir die Comoedie spielen.”
Der Mond wird hier überraschenderweise und ganz naiv einfach als Trabant behandelt, der dem Wunsch des “egozentrischen Künstlers” schlicht folgen muß. Er hat natürlicherweise zu scheinen, wenn wir uns schon äußern.
Warum dieses Stück als erste Aufführung eines Neuanfangs insgesamt?
Gewissermaßen symbolisch? Nein, im Stück kommen Menschen zusammen und wollen spielen für ein Publikum, von dem sie gehört haben, daß es theaterinteressiert sei. “Uns zur Freude und zur Bestreitung der Einnahmen.”
Gryphius ist ja ein eher selten gespielter Autor.
Es sieht so aus, wenn man die Spielpläne durchsieht – aber der Autor ist doch einigermaßen bekannt, vom Namen her. Daß er selten aufgeführt wird, geschieht ganz zu Unrecht.
Aber diese altdeutsche, barocke und kauzige Sprache ist uns doch sehr fremd geworden. Muß man den Text für ein heutiges Publikum modernisieren?
Nein. Meines Erachtens ist das für die Leichtigkeit einer Komödienpräsentation gar nicht nötig. Ich möchte uns konfrontieren mit der Kauzigkeit dieser Vorlage, dieser Personen, die damit ja auch ihre Welt präsentieren, ihre Originalität, ihre Zeit. Gryphius, das ist ein freudiger, barocker Sprachschmaus.
Der König im Stück ist eine überaus leutselige, humorvolle Persönlichkeit. War das eine Verbeugung des Autors vor den damaligen, noch sehr restriktiven Verhältnissen? Hatte er Angst vor der Zensur, oder fürchtete er gar um seinen Kopf?
Wenn sie es nicht direkt auf einen Kopf abgesehen hatten, waren die Herrscher schon immer freundliche Persönlichkeiten, und ganz besonders wenn sie einen guten Tag hinter sich hatten. Und das erwähnt unser König bei seinem Auftritt, “Wenn heute schon alles so gut gegangen ist mit unseren Geschäften, dann gönnen wir uns doch auch noch etwas Theater, so zum Dessert…” (frei zitiert).
Peter Squentz, ein quasi Jean Paulsches Dorfschullehrerlein, ist verblüffend gebildet. Darf man das als historisch möglich ansehen?
Peter Squentz ist eine Kunstfigur, und vielleicht karikiert der Autor damit auch ein ländlich/provinziell/überehrgeiziges Allerweltswissen. Gryphius allerdings war ein sehr gebildeter Protestant, Politiker, Erzieher.
Eine letzte Frage. War die Uraufführung des Textes eine Freilichtaufführung?
Ich konnte nirgends herausfinden, wann, wie oder wo die Uraufführung des Werkes stattfand, nehme es aber nicht an. Die Dialogführung ist hier, verglichen mit anderen Vorlagen aus der Zeit, zu außergewöhnlich fein schattiert. Aber gerade das interessiert uns: Mit dem “Spektakel Freilichttheater” auch künstlerisch feinschattierter umzugehen.
.
.
.
Cellesche Zeitung, Montag, 16. August 1993
Schloßtheater-Premiere von “Herr Peter Squentz”
Als Auftakt der Spielzeit 1993/94 Sommertheater im Celler Schloßhof. Das Wetter hatte sich schließlich doch für ein freundliches Gesicht zu diesem Anlaß entschieden. Und die abendlichen Besucher wurden bereits vor dem Schloß von Schülern des KAV-Gymnasiums musikalisch eingestimmt auf ein unterhaltendes Spiel aus Farbenpracht und komödiantisch- schillernder Darstellung.
Der “Herr Peter Squentz” des Andreas Gryphius würde alsbald heraustreten, Namen für Namen die braven Handwerker von Rumpelskirchen heranrufen, um ihnen mitzuteilen, daß der König mit Gefolge durch den Ort kommen werde, und man ihm bei dieser Gelegenheit eine – schöne Komödie tragieren wolle. Die Liebesmär von Piramus und Thisbe soll es sein.
Eifrige Zustimmung, dann ratloses Staunen – wer soll denn den Löwen spielen und wie ihn zum Sprechen bringen, und wie sollen sie’s mit der Wand halten, einer Wand, die redet? Auch ein Brunnen muß her, natürlich ein Brunnen, der Wasser spritzt. Und der Mond, wie, wenn er zu dieser Stunde nicht scheint? Aber der Mond muß da sein, sonst wird die ganze Komödie zunichte gemacht. Den Piramus zu finden, ist nicht allzu schwer, aber Thisbe, woher die nehmen?
Unaufhaltsam treiben die Vorbereitungen nun ihrem Höhepunkt entgegen, einem tölpelhaften Spiel aus übertriebenen Gebärden und derber Sprache. Inszenierung (Gian Gianotti) und Ausstattung (Alex Müller) harmonieren völlig miteinander. Das Schloss selbst und drei, Trichtern ähnliche, begehbare Objekte, zum Dreieck auf dem Hof angeordnet, sind die wirkungsvollen Requisiten dieser Aufführung.
Eine saftige Farbenpalette überzieht die gesamte Szenerie und bietet dem Auge eine schwelgerische Optik höfischer Lebensphilosophie wie kurzwelliges Amüsement angesichts des theatralischen Aufzugs der Handwerksmeister. Dieses Erscheinungsbild wird von der Regie mit einem bis zum Exzeß bewegten Schwung ausgefüllt.
Das Spiel ist fast nicht zu bremsen, scheint es bisweilen, fängt sich jedoch immer wieder, hastet, überrascht von albernen Einfällen, voran, nutzt mit gelegentlich ausschweifender Lust und hemmungslosem Übermut die Gegebenheiten auf- und abzurennen, sich im Kreis zu drehen, mal von oben, mal von unten einen Blick auf die eigene Posse zu werfen.
Das adelige Publikum im Stück – der König (Helmut Dicke), die Prinzessin (Christine Passow), der Marschalck (Eberhard Hoffmann) mischt sich hier und da mit süffisanten Kommentaren ein. Insgesamt hält Gian Gianotti diese Gruppe am Rand des Geschehens. Sie bleibt gerade soweit gegenwärtig, daß der Sinn des ganzen Aufhebens nicht völlig in Vergessenheit gerät – nämlich durch die artikulierte Distanz zwischen der höfischen Gesellschaft und der niederen Herkunft der Handwerker, durch das bewußt-bissige, unbewußt-lächerliche Reagieren aufeinander, das absurd-Komische der Situation aufzudecken. Die Schein-Wirklichkeit, in die sich die Aristokraten zurückgezogen haben, die Illusion, in der die Handwerker ihr Sein (er)tragen, verwischen die Grenzen.
In den Mittelpunkt dieser Aufführung rücken die Außenseiter des barocken Welttheaters, hier die Handwerker. Sie vergnügen sich mit drastischen Späßen und Mätzchen, mit clownesken Einfällen, wie sie von den Wanderbühnen bekannt sind, sie reden, unbekümmert ihre Verse verstümmelnd, als seien sie zu Hause:
Meister Bulla Buten (Ercan Durmaz) hat schon bald nichts mehr von seinem Zettel abzulesen und agiert umso tollkühner mit seiner Wand; unwohl in seiner Haut, angriffslustig, grollend der Löwe alias Meister Klipperling (Marius Marx); Meister Lollinger (Helmut Thiele) zeigt sich dem Publikum nicht nur als wahrer Meistersinger, sondern auch als schelmisch spritzender Brunnen; selbst der Mond von Meister Krix (Susanne Burkhard) beginnt zu scheinen; nichts steht also des Pickelhärings Piramus (Günter Schaupp) und Meister Klotz-Georges Thisbe (Bernd Lambrecht) noch im Weg, durch und an der Wand vorbei ihr ironisch-karikierendes Liebesende vorzuführen.
Derweil verfolgt Herr Peter Squentz (Herbert Karsten) köpfschüttelnd, wie der von ihm verfaßte Text verhunzt wird; kann er doch wenigstens in seinem Prolog wie in seinem Epilog mit mäßigenden Worten auf das “Schimpffspiel” einwirken. Unerschrocken hält er an seiner hohen Selbsteinschätzung eines universal gebildeten Mannes fest, sich, mit mildem Lächeln, der Ehrfurcht der Meister gewiß; ebenso eifrig-demütig, trotzig zeigt er sich gegenüber der höfischen Gesellschaft.
Wohl kaum anders als zu früheren Zeiten amüsierte sich das Premieren-Publikum von heute immer dann am meisten, wenn das Spiel besonders deftig und derb geriet, wo die Komödianten in großmäuligen Gebärden schwelgten. Die kurzweilige Unterhaltung verfehlte nicht ihre Wirkung.
Ingrid Kulenkampff
.
.
.
.
Pressestimmen:
>>> Peter Squentz, Unterhaltsames Possenspiel, Cellesche Zeitung, 16.8.1993
>>> Ein Schimpfspiel am Celler Schlosstheater: Barockes mit bravour Stadt-Magazin, Celler Szene 9.93
.
.
.