Fotos © Emanuel Ammon, Luzern
Gian Gianotti, Ein Theaterprojekt mit Behinderten
1980/81, Lavin – Theaterprojekt mit Behinderten, Pro Infirmis GR,
Lavin, Chasa Fliana, 23.-28. März und 21.-26. September 1981
TV-Dokumentation RTR, September 1981, ILS QUATTER ELEMAINTS / DIE 4 GRUNDELEMENTE (Regie: Viktor Meier-Cibello)
Die Initiative
kam von Barbara Schwarzenbach, der Leiterin von
‘Pro Infirmis Engadin, Bergell und Poschiavo’.
Es ging ihr um eine breitere Sensibilisierung der Gesellschaft für die Bedürfnisse und kommunikativen Möglichkeiten von ‘körperlich und geistig behinderten Mitmenschen’. Mit einer Gruppe von ‘Helfern und Betreuern’ aus der Region wurden in einer ersten Woche die Möglichkeiten der Begegnung, der Kommunikation mittels Erzählungen, Text-Spielen, Musik, Rhythmik, Malerei erfahren. In Probephasen wurde auch ‘theatralische Rituale’ angegangen.
In einer zweiten Woche hat man diese Erfahrung ausgewertet und sich auf eine mögliche “Aufführung für ein Publikum” konzentriert.
Das Romanische Fernsehen hat diese zweite Woche begleitet und filmisch dokumentiert.
Beteiligte
Etwa 20 Erwachsene mit den unterschiedlichsten körperlichen und/oder geistigen Behinderungen des Kantons Graubünden, insbesondere aus dem Wirkungsgebiet der
Pro Infirmis-Stelle in Samedan.
Betreuer
Etwa gleich viele interessierte Freiwillige, die bereit waren, möglichst die ganze Zeit für diese Begegnung einzusetzen. Fachlich wurden sie von Mitarbeiter/innen der Pro Infirmis Graubünden begleitet, sowie vom Haus- und Küchenpersonal der Chasa Fliana, Lavin, betreut.
Erfahrung
Für viele, grundsätzlich interessierte Betreuer und Betreuerinnen, war dies die erste Erfahrung mit behinderten Mitmenschen. Die grundsätzliche, affektive Sympathie wandelte sich schnell in einsichtiges Engagement für eine Zusammenarbeit und Begleitung. Die gesetzten Tagesthemen wurden vorbereitet, kollektiv (im ‘Plenum’) vorgestellt und auch in diesem Rahmen (quasi basisdemokratisch) ausgewertet: jede anwesende Person, insbesondere die Behinderten, sollte die Möglichkeit und die Zeit erhalten, eine Meinung und Äusserung zu formulieren. Vor allem die Film-Technische Arbeit und die Einsicht in die unterschiedlichen “Kompetenzen und Ansichten aller Beteiligten” wollten wahrgenommen und respektiert werden – bis zum “ja, so machen wir das jetzt!” – was dann auch als nötige Klärung und als Abschluss der “Meinungsfindung” akzeptiert wurde.
Gross waren dann die Freundschaften und die Trennungsschmerzen am Ende der Woche.
Folgen
Die erste Einsicht war am Abend des 2. Tages schon definiert: das werden keine zwei Ferienwochen, sondern strenge, fordernde und menschlich engagierte Tage. Respekt, Geduld, Ehrlichkeit und Grenzen mussten dann als Einsicht und Haltung für alle Seiten vor- und nachgelebt werden. Die unterschiedlichen Fähigkeiten in den Fachgebieten von Malerei, Musik, Rhythmik und Textarbeit zeigten sich schnell als sehr individuelle Interessen – die, der einen Leichtigkeit, dem anderen grosse Mühe bereiten konnten. Wo der eine in völliger Ruhe vor sich hin und vom Thema entfernend (zum Beispiel ‘Wasser und Meer’) geniessen und sich vergessen konnte, war der oder die andere sehr erpicht auf die eigene Wort- und Entscheidungskompetenz … auch in der Regie (von der Tagesplanung bis zur Kameraeinstellung). Die zwei Wochen wurden zur ernsthaftesten Kundgebung: “Wir machen hier etwas gemeinsam” und zur Herausforderung: “wir wollen das zusammen machen”.
Aus den zwei Wochen Theaterprojekt mit Behinderten entstand eine ganze Bewegung zum
Leben und Sein mit Behinderten Mitmenschen im Engadin, Bergell und Poschiavo.
Diese Erfahrung unterstützte dann
… die “Idee” einer gemeinsamen Reise ans Meer, nach Sizilien im Herbst 1982
… und daraus eine Ausstellung in Chapella als Nachbereitung
… sowie die Gründung einer UFFICINA UND DMURA PROTETTA,
einer “Geschützten Werkstatt mit Wohnheim für behinderte Menschen” in Samedan in die Wege zu leiten
… und wiederum daraus entstand
der Verein MOVIMENTO
mit den Geschützten Werkstätten:
Siehe dazu: >>> movimento.ch
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Pressestimmen:
>>> Zusammen leben und arbeiten, Bündner Zeitung, uk. 7.2.81
>>> Die Grenzen weiter stecken, Bündner Zeitung, Ursula Kauer 6.5.81
>>> Eindrücke einer Reise nach Sizilien, Bündner Zeitung, uk. 22.4.83
>>> Behinderte gestalten eine Reise, Bündner Zeitung, mm. 3.5.83
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1973, S, RR lv
Diese erste ‘eigene Arbeit’ für ein öffentliches Publikum braucht einige >>> Vorinformationen über das ‘wie es dazu kam’ und das ‘woher’ der theateraffinen Motivation.
Eigenproduktion für die LADINA CENTRALA 1973 in Ardez
mit Freunden und Studenten im Engadin, Chur und Zürich
Tista Murk, CHI BLER VOUL, PAC PIGLIA
Eine Voraufführung in Sent (Schulhaus-Aula)
Die Vorstellung in Ardez, Schulhausbühne, am 25. August 1973
Beteiligte Spieler:
Schimun – Chasper Pult, Chur, Zürich und Sent
Staschia – Eva Caviezel, Cinuos-chel und Zürich
Il marchadant talian – Giovanni Starace, Napoli und Sent
Il güdisch da pasch – Men Janett, Zürich und Tschlin
Regie und Ausstattung: Gian Gianotti
Die kurze Szene von Tista Murk, frei nach der “Huldigung der Künste” von Friedich Schiller, wurde auf 15 Minuten eingekürzt um nur einen Einstieg in das konventionelle Bild des gängigen Volkstheaters zu erlauben.
Thema: Ehrlichkeit zahlt sich aus, mit oder ohne Religion.
Gian Gianotti, SCENA RITMICA PER SES ACTUORS, ein (vereinfachter) ‘Werdegang des menschlichen Lebens’:
Zwei Voraufführungen in Sent (Muglin vegl) und
die Uraufführung in Ardez, Turnhalle, zentrale Spielfläche, Publikum rund herum, am 25. August 1973
Beteiligte Spieler:
Brigitte Rehan, Chur
Kryša Kohli, Wil und Zürich
Ladina Campell, Chur und Cinuos-chel
Lisbeth Meyer, Starrkirch-Wil und Zürich
Not Carl, Scuol und Zürich
Rico Loringett, Andeer und Chur
Regie und Ausstattung: Gian Gianotti
Cuntgnü/Inhalt
1. Ses sachs, quietezza 2. Prüms muvimaints – naschentscha 3. Prüms muvimaints our il liber, orizontala, verticala 4. Plaschair vi dal muvimaint 5. Ils oters 6. Il contact culs oters 7. La differenza 8. La confruntaziun 9. Preparativs per il cumbat 10. Cumbat 11. La cuntantezza pro’ls vendschaders, la tristezza dals abattüts 12. La cuntantezza 13. La tristezza 14. La confruntaziun cun la mort 15. La temma 16. Il tscherchar protecziun 17. La quietezza |
1. Sechs Säcke, Ruhe 2. Erste Regungen – Geburt 3. Erste Bewegungen im Freien, die Wagrechte, die Senkrechte 4. Die Freude an der Bewegung 5. Die Anderen 6. Der Kontakt mit den Anderen 7. Die Unterschiede 8. Die Behauptung 9. Vorbereitungen für den Kampf 10. Der Kampf 11. Die Freude der Sieger, die Trauer der Besiegten 12. Die Freude 13. Die Trauer 14. Die Erfahrung des Todes 15. Die Angst 16. Die Suche nach Schutz 17. Die Ruhe |
Eine ca. halbstündige Szene zur Entstehung von Leben, Bewegung, Kommunikation, Konfrontation, Kampf, Trauer und Müdigkeit
Ohne Text, mit selbsterzeugter Geräuschkulisse (fast Musik).
Die Gegenüberstellung der zwei Szenen war der Einstieg ins Gespräch über mögliche Theater- und Ausdrucksformen.
Der Schritt zur Hospitanz in Berlin:
Für mich persönlich war das Projekt eine gedankliche Annäherung oder ‘Vorbeschäftigung’ mit dem Thema, das dann mit dem Antikenprojekt und mit den Bakchen in Berlin angegangen wurde. Dazu hier die Grundpräsentation der Idee der Schaubühne und ein Auszug aus einer Besprechung von Gerd Jäger in Theater heute 3/1974
>>> ANTIKENPROJEKT
>>> Ladina centrala 1973, il program corv e talina, Jost Falett red. lügl 1973
>>> Ankündigung Fögl Ladin 17.8.1973
>>> Festa ladina ad Ardez Fögl Ladin, Jon Manatschal 31.8.1973