Zum Gedenken an Claudia Fenner

 

 

Aus der TheaterZeitung Nr. 4 vom 8. Dezember 2005:

Es gibt Sterben, das uns das weitere Leben lang begleitet – hier geht es nicht ums Sterben in der Familie oder im engsten Freundeskreis – da gäbe es auch einiges … hier geht es ums Theater im Umgang mit dem realen Tod. Und, möglicherweise …, gehen wir mit diesem und jenem Sterben anders um, wenn wir dieses und jenes erlebt, erlitten haben. Dies- und jenseits des Theaters, des Lebens mit dem Theater.

 

 

KONTEXT   (zu Weihnachten?) 

Wenn die Mutter stirbt dann wird sie ersetzt. Punkt.

… das hört sich menschlich nicht sehr sensibel an – auswechseln und weitergehen … so aber im Theater, immer wieder, und so in Köln, aus Notwendigkeit, aus Entscheidung eine Zusage einzuhalten, aus Respekt und Achtung der toten “Mutter” gegenüber? Jedenfalls aus Gründen der Erhaltung einer gültigen Theaterarbeit. Die Gertrud ist gestorben, die Gertrud muss leben.

Die Gertrud Claudia Fenner war nicht der Grund aber ein Vorwand (unter anderen) für einen Kontakt, für einen Theaterbesuch, für eine zweite Einladung einer Produktion aus dem Schauspiel Köln: Hamlet, hier bei uns am 10. und 11. Dezember. Die Einladung wurde im Nachhinein zur Vorstellung zum Gedenken an Claudia Fenner. Was nie gedacht war traf ein, was nie geahnt hätte werden können, befürchtet (denn gar nicht vorstellbar) gar nicht denkbar, ja nicht einmal als denkbar gedacht sein konnte … Derart weit weg befand man sich im Zeitpunkt der Einladung von dieser Wendung des Lebens, sich freuend auf die erneute Begegnung … Und nun ist alles anders, und die Begegnung findet doch statt. Auch das vermag nur das Theater.

Der Schauspielerin Anja Laïs fällt eine neue Rolle zu … als junge Frau zu übernehmen, den Stand der jungen Mutter eines genialen Sohnes, der alles sieht und ahnt, weit bevor es bereits für andere erahnbar sein könnte. Hamlet, der “gradliner”, der Spiegel des eigenen Lebens in der nächsten Generation. Bei Sophokles (Oedipus) heisst es “die Zeit wird es zeigen”, bei Shakespeare ahnt es Hamlet aus Achtung vor der allzu schnellen “Umbesetzung” des eben gestorbenen Vaters. Die allzu kurze Zeit der Trauer machte ihn hellhörig und mit kriminalistischer Skepsis hörte er auf den “Geist” des Vaters, spielte seine Rolle und spiegelte die Beziehungen (und wenn hier jemand die Beziehungen getürkt hat dann kommt er/sie und reisst auch noch andere mit in den Strudel …).

Die Zeit, die zwischen Einladung und Gastspiel verstrichen ist hat uns mit unserer eigenen (allzu schnellen) Endlichkeit konfrontiert. Wir betrachten dies im Theater als eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir anderen Berufen gegenüber als Vorteil für unser eigenes Leben erleiden können. Es gehört zum Beruf, zum Spiel, zum Leben, die Endformen der Gedanken abtasten zu müssen. Und dazu gehört der ständige Umgang mit dem (auch eigenen) Tod. Ist es eine Utopie, dass man sich darauf vorbereiten kann? Jedenfalls ist es eine Chance, dass man sich damit auseinandersetzen muss.

Claudia ist weder daran noch darum gestorben, aber wir haben durch ihren Tod die Ahnung, dass ein Spiegel kommen wird, und uns uns zeigt – nicht religiös, fatalistisch oder sogar apokalyptisch, nein, nur menschlich offen, so freundschaftlich wie wir uns selber ehrlich entgegen-treten. Tief das Leben und die ständige Arbeit daran liebend. Und wissend, dass es am Menschen liegt, Mitmenschen zuzulassen.

G

Gian Gianotti
Künstlerischer Leiter
Theater Winterthur

 

 

 

 

 

Hintergrund – Die Meldung stand im  Kölner Stadtanzeiger 21.07.05

Schauspielerin Claudia Fenner ist gestorben

Die Schweizerin gehörte seit der Spielzeit 2002 / 03 zum Kölner Ensemble.

Die an den Bühnen Köln engagierte Schauspielerin Claudia Fenner ist im Alter von 40 Jahren ganz unerwartet gestorben. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb die Schweizerin bereits in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli wahrscheinlich an einer Hirnblutung in ihrer Kölner Wohnung. Eine Woche vor ihrem Tod war die 1964 in Graubünden geborene, in Zürich ausgebildete Schauspielerin noch in „Erdbeerfelder für immer“ am Kölner Schauspiel aufgetreten. Zu dessen Ensemble zählte Fenner, die zuvor am Jungen Theater Göttingen, am Staatstheater Darmstadt und am Theater an der Winkelwiese Zürich engagiert war, seit dem Intendanzstart von Marc Günther im Herbst 2002. In dessen Eröffnungspremiere „Othello“ spielte sie die Emilia, in Mankells „Antilopen“ war sie „die Frau“, in Kleists „Familie Schroffenstein“ verkörperte sie Gertrude und im „Hamlet“ war sie als Königin Gertrud zu sehen. Zuletzt hatte Claudia Fenner als Lady Torrance in Tennessee Williams’ „Orpheus steigt herab“ Premiere. (sue)

 

Kultur

Nach Gehirnblutung leblos in der Wohnung aufgefunden
Kölner Theater-Star tot aufgefunden

Sie begeisterte ihre Zuschauer in Stücken wie “Hamlet”, “Othello”, “Auf dem Lande” und zuletzt in dem erfolgreichsten Stück der vergangenen Spielzeit 2004/2005 “Erdbeerfelder für immer”. Das erfolgreiche Ensemble-Mitglied der Bühnen Köln Claudia Fenner ist vor kurzem verstorben. Ihr Schauspielkollege Markus Scheumann fand den Theater-Star leblos in ihrer Wohnung auf.

Wie der “Express” in der Donnerstagsausgabe berichtet, verstarb die erst vierzigjährige Akteurin an einer Hirnblutung. Am 8. Juli wollte sie eigentlich mit einigen Freunden tanzen gehen, verabschiedete sich jedoch vorzeitig, da sie unter heftigen Kopfschmerzen litt. Als sie dann am nächsten Tag nicht zu einer Familienfeier in Luxemburg erschien und auch telefonisch nicht zu erreichen war, wurde die Mutter der Schauspielerin unruhig. Wie die Boulevardzeitung weiter berichtet, benachrichtigte diese daraufhin den Kollegen.

Der Schock am Schauspielhaus ist groß. Seit drei Jahren zählte Claudia Fenner zum festen Kern des Hauses. Schweren Herzens wird derzeit aber bereits nach einer Nachfolgerin gesucht. “Es ist im Sinne eines jeden Schauspielers, dass das Theater weiter geht,” so Schauspiel-Chef Marc Günther gegenüber der Zeitung.