Nachruf Gion Antoni Derungs

 

Zwei erste rätoromanische Opernproduktionen in Chur – Zwei Begegnungen

 

Die Eigenproduktion einer abendfüllenden Oper ist für Chur nach wie vor ein grosses Ereignis, in den Jahren 1986 und 1996 waren diese Projekte mehr als nur einzigartig, sie waren Pionierarbeiten! Und sie konnten nur realisiert werden, weil sich eine glückliche Kombination von Interessierten, Interessenten und Unterstützern zusammenfand. Der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten lag im Hause Derungs, der Kopf war der Musiker, Domorganist und Komponist Gion Antoni Derungs mit seiner Frau und ihren zwei Kindern. Und alle Aktivitäten rund um die Uraufführungen der ersten zwei rätoromanischen Opern überhaupt waren für die über 300 direkt Beteiligten und gegen 5‘000 Zuschauer/innen zwei bleibende Ereignisse: Für Chur und für den Kanton Graubünden, insbesondere für die Surselva und für die Lumnäzia waren sie eine kulturelle Herausforderung und dann Bestätigung. Dies wurde erst mit der wohlwollenden, ruhigen, geduldigen aber auch zielgerichteten und hartnäckigen Lebens- und Arbeitsweise von Gion Antoni Derungs möglich. Ein Glücksfall … und noch mehr!

IL CERCHEL MAGIC 1986, IL SEMIADER 1996

Nach 20 und 30 Jahren können die zwei Begegnungen nochmals anders gesehen und gewürdigt werden als direkt unter dem Eindruck der Produktion. Damals galt die Realisierung zu verantworten, zu begründen und Theater in seinen Formen auch im Kanton Graubünden auszuloten – heute darf die Arbeit als Meinungsäusserung der Kultur betrachtet werden, in einer Zeit des Aufbruchs. Damit wird die damalige Begründung und das Engagement für Umwelt und Traumwelt als wichtige Bestandteile der menschlichen Freiheit nicht kleingeredet, ganz im Gegenteil … da hat sich seit damals nur einiges getan in der Wahrnehmung der persönlichen Dimension und des Rechtes auf Gestaltung des Lebens.

Der Mensch lebt nicht nur von der Nutzung seiner Mitmenschen, seiner Zeit – und alles nur für seine Zwecke. Das versuchte der CERCHEL MAGIC märchenhaft anzugehen. Und der Mensch definiert sich auch über nicht ausgesprochene Wünsche und Ängste – die haben in einer gewissen Lebenskultur ein Recht wahrgenommen zu werden – das wiederum versuchte IL SEMIADER zu erzählen. Beide Geschichten wurden in Worte gefasst von Lothar Deplazes, dem Librettisten und Wegbereiter der ersten Stunde.

Mit diesen ‚Geschichten‘ habe ich Gion Antoni als engagierten Lehrer und Erzieher, sowie als Träumer im Land des Musiktheaters, der Oper, der Sprache und der Kommunikation mit seiner Zeit erlebt. Der Theaterbetrieb war für ihn ein Mittel das auch für die rätoromanische Sprache und Musikwelt genutzt werden sollte. Für mich war das eine mögliche Ausweitung des Theaterwunsches über das Sprechtheater hinaus, um die Notwendigkeit einer mehrsprachigen und kantonalen Theater-Infrastruktur aufzuzeigen. Das Projekt „Rätisches Theater“ nahm in dieser Dekade Form und Notwendigkeit an, auch wenn die Politik es dann anders gewichtet hat.

Unterschiedliche Engagements fanden sich in den zwei Projekten und bewiesen zumindest mit den Erfolgen die Berechtigung und Notwendigkeit dieser „Träume“.

Dass die Möglichkeiten und Formen des Musik- und Konzertlebens, des Musiktheaters und so auch der Oper im Kanton Graubünden sich dann seit damals ganz anders entwickelt haben, ist bewundernswert und ein Glücksfall. Eine Bestätigung:

Auch gut – und gut so!

Er hat es erleben dürfen! Wir haben es gestalten können.

 

 

Gian Gianotti, 2014

 

 

 

Zwei Opern-Uraufführungen in Chur, in romanischer  Sprache

1986 war vieles noch anders, 84 war vorbei (also lebte man bereits unter dem Blick des Grossen Bruders), 89 noch unerreichbar weit weg (also war man noch in festen Grenzen und Mauern geborgen). Und da, in dieser Zeit des aufgestauten Aufbruchs, dachte sich Gion Antoni Derungs ein Novum für Chur aus, für Graubünden: Theater war als Schauspiel bereits zu teuer, an ein Ensemble war schon fast nicht mehr zu denken … also musste eine Oper her! Mindestens eine Uraufführung: IL CERCHEL MAGIC, der MAGISCHE KREIS, der ZAUBERKREIS, oder der KREIS DER NATÜRLICHEN ORDNUNG, ein Zauber-Märchen!

Wir haben es angepackt und realisiert, die Geschichte des Märchens ging schlecht aus (die Menschen im Dorf verkauften ihre Seele dem Teufel des Profits), die der neuen Dimension „Musiktheater für den Kanton Graubünden“ begann erst damit, Form anzunehmen.

Ganze 10 Jahre später folgte die zweite, IL SEMIADER, der TRÄUMER, der TRAUMWANDLER … dann die dritte bis sechste … und dann war die Idee etabliert. Bis zum siebten Tag und der Ruhe danach soll es noch lange dauern.

 

Gian Gianotti, 2014