Derungs Martin, Robert Walser ASCHENBRÖDEL

1997     M / S / D

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Plakat: Ruth Schürmann

Martin Derungs
Robert Walser ASCHENBRÖDEL, Musiktheater
theaterforum Shedhalle Zürich, Projektleitung Gian Gianotti

 

Robert Walser ASCHENBRÖDEL
Musiktheater von Martin Derungs
Libretto Gian Gianotti, Martin Derungs

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Shedhalle Zürich, Rote Fabrik
Premiere: 14. März 1997, Uraufführung

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Musikalische Leitung – Matthias Weilenmann
Projektleitung und Inszenierung – Gian Gianotti
Korrepetition – Martin Derungs
Ausstattung, Kostüme und Grafik – Ruth Schürman
Licht-design – Rolf Derrer, DELUX Zürich
Korrepetition Schlagzeuginstrumentarium – stephan diethelm

 

Besetzung

Barbara Sutter – Aschenbrödel, Mezzo
Luiz Alves da Silva – Prinz, Altus
Annette Labusch – Schwester/Page, Sopran
Eva Oltiványi – Schwester/Page, Sopran
Fiona Powell – Schwester/Page, Sopran
Hubert Saladin – Narr, Tenor
Samuel Zünd – König, Bariton

Peter Haller – Märchen, Schauspieler
Dorothee Kappus – Märchen, Violine

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Mitspielendes Orchester

Matthias Weilenmann – 1. Blockflöte
Martina Joos – Blockflöte
Katharina Lugmayr – Blockflöte
Barbara Nägele – Blockflöte
Friedemann Rabe – Kontrabass
Immanuel Richter – Flügelghorn
Stephan Schmidt – Gitarre

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Eine  theaterforum.ch  – Produktion
©  Martin Derungs und Gian Gianotti, Zürich 1996

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Robert Walser, eine Serigrafie von Heinz Jost, Bern

 

Robert Walser ASCHENBRÖDEL, 1997
ein Verbindungsprojekt von Musik- und Schauspieltheater

Musiktheater nach Leben und Dramolett von Robert Walser.

Für die Figur “das Märchen” wurde die Form des Schauspiels gewählt. Ein Schauspieler verkörperte sie, die gesprochene Stimme wurde gemeinsam mit einer Violinstimme als musikalische Linie behandelt. Die Inszenierung in der grossen Shedhalle (Rote Fabrik Zürich) führte das Raumexperiment des Babel-Projektes radikal weiter.

6 Vorstellungen in Zürich. Eine theaterforum-interne CD Einspielung.

 

 

Der Inhalt
Die Lebens- und Werkkonzeption von Robert Walser steht im Zentrum der Beschäftigung mit dem Thema ASCHENBRÖDEL: “das Dienen, das Dienen-Wollen, Dienen-Müssen und das Dienen-Verweigern” als ideelle und praktische Basis für die Sparten, Personen und Mittel. Die Positionierung von Aschenbrödel in ihrem eigenen Lebenskonzept entspricht in eindrücklicher Weise der Lebenskonzeption von Robert Walser als Gehülfe, als Tanner, als Dichter und Briefeschreiber, als Liebhaber … bis hin in die Gespräche, die er mit Carl Seelig bei den Wanderungen geführt hat.

Robert Walser gestaltet das Grimm-Märchen nach seiner Konzeption neu: Aschenbrödel möchte gar nicht Prinzessin werden. Als Prinzessin wäre es ja nicht mehr Aschenbrödel … bis das Märchen auftritt (eine Kunstfigur von Robert Walser) und ihm nahelegt, dass es gar keine Wahl habe, es, das Märchen wolle es so, und das Publikum und alle würden es von ihm erwarten …  Aschenbrödel überwindet sich, gibt sich geschlagen und opfert sich, dem Märchen zu Diensten.

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Die Textfassung
Robert Walser hat das Dramolett ASCHENBRÖDEL bereits 1900 geschrieben. Inhaltlich und literarisch skizziert er quasi programmatisch seine Lebenskonzeption. Für das Libretto wurde das Dramolett von Gian Gianotti und Martin Derungs nach zeitgenössischen, musikdramatischen Bedürfnissen eingestrichen und in der Szenenfolge umgearbeitet. Die Lebenskonzeption von Robert Walser war dabei eine wichtige Lesart. Obwohl es durchgehend nur aus Originalzitaten aus Robert Walsers Dramolett besteht, ist das Libretto ein neues, eigenständiges, in sich geschlossenes Werk. Wir haben nicht das Dramolett ‘Aschenbrödel’ von Robert Walser realisiert sondern das Musiktheater von mir und Martin Derungs: “Robert Walser ASCHENBRÖDEL”.

Gian Gianotti, Juni 1997

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Der Dank
Stadt Zürich, Kanton Zürich, Pro Helvetia

 

Fotos: stephan diethelm
Fotos: Radu Klinger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Es wurde eine
CD-Einspielung
des Werkes hergestellt
Textfassung im Booklet

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Der Text:
>>>  Robert Walser ASCHENBRÖDEL,  das Libretto     pdf, 6 Seiten

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GG: … Aschenbrödel kann eine Primadonna sein, meinetwegen … die die Primadonna aber nicht spielen will!
MD: … sie nimmt sich aber doch verdammt wichtig … (lacht) …
GG: … in ihrer Bescheidenheit! Und was war denn Robert Walser, wenn nicht ein erstklassiger Schriftsteller, sprich Träumer (oder sprich auch Primadonna!), der sich zurückbegab in seine Bescheidenheit, und handkehrum von sich sagen konnte: lch bin einer der sieben besten Schriftsteller der Schweiz …
>>>   Martin Derungs, Gian Gianotti und Matthias Weilenmann im Gespräch   von Andreas Müller-Crepon 3.2.97

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Pressestimmen: 

>>>  3 Stichworte für Robert Walser  züri-tip, wit  13.5.94
>>>  Geld für Musiktheater  Tages Anzeiger  24.6.96
>>>  Robert Walser ‘Aschenbrödel’ in der Shedhalle  Bündner Tagblatt, Peter Masüger  6.3.97
>>>  Diener der Träume, ‘Robert Walser Aschenbrödel’ eine Art Oper  APERO Zentralschweiz, Edith Arnold  13.3.97
>>>  ‘… und das bin von Grund ich, eine Träumerin’  Bündner Tagblatt, Andreas Müller-Crepon  13.3.97
>>>  Märchenhafter Robert Walser  ZüriWoche  13.3.97
>>>  “… mit dem Körper die Intervalle, mit dem Ohr die Kontrolle”  Gabriela Kägi im Gespräch mit Barbara Sutter  Notizblatt, Radio DRS2, Musik à la carte  14.3.97
>>>  Der Bündner Gian Gianotti inszeniert Walser ‘Aschenbrödel’ in Zürich  Bündner Zeitung, Reinmmar Wagner  14.3.97
>>>  Von Grund eine Träumerin  bühne, Thomas Meyer  14.3.97
>>>  Sensibel, Bravuröse Gesangssolistin Barbara Sutter als Aschenbrödel  SonntagsZeitung  16.3.97
>>>  Aschenbrödel verweigert sich  Neue Luzerner Zeitung, Fritz Schaub  17.3.97
>>>  Leiser Schrecken  Tages Anzeiger, Thomas Meyer  17.3.97
>>>  Traumspiel in vernetzten (Klang-)Täumen  Bündner Tagblatt, Christian Albrecht  17.3.97
>>>  Zauber der Möglichkeiten  NZZ, P.Mü.  17.3.97
>>>  ‘Aschenbrödel’ als nüchtern sensibles Spiel  Bündner Zeitung, Reinmar Wagner  18.3.97
>>>  Eine Oper nach Walsers ‘Aschenbrödel’  St.Galler Tagblatt, mü  18.3.97
>>>  ‘Denn das Märchen will es so’  Solothurner Zeitung, Eva Kurt  19.3.97
>>>  ‘Robert Walsers Aschenbrödel’ von Derungs Bewegung im opffenen Raum  Basler Zeitung, Sibylle Ehrismann  20.3.97
>>>  Was macht das Märchen, wenn Aschenbrödel nicht will  INFORMATION SZENE, Masueli W. Moser-Ehinger  22.3.97
>>>  Und noch eine Walser-Vertonung  DISSONANZ, Michael Eidenbenz  Mai 1997
>>>  Es sind die Stimmen, die sich nahe kommen, nicht die Figuren  Aargauer Zeitung, Sibylle Ehrismann  18.3.97
>>>  PresseDaten  3.4.97

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Wir trauern um Barbara Sutter, * 20.7.1961  in St. Gallen  † 13.8.2000  in Arlesheim BL
>>>    Nachruf

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Steinmann, NACH AFRIKA

1997     S / E / D / UA

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Plakat: Niklaus Troxler

Rathausbühne Willisau, Produktion Vreni Achermann

Paul Steinmann: nach Afrika.
Musik/Tanz/Theater

 

Rathausbühne Willisau und Gastspielorte
Premiere: 29. Januar 1997, Uraufführung

 

Inszenierung – Gian Gianotti
Ausstattung – Ruth Schürmann

Grafik – Niklaus Troxler
Berater DEZA – Bruno Strebel
Projektleitung – Charlotte Madörin

 

Spiel:
Schweizerin – Vreni Achermann (Schweiz)
Afrikanerin – Lizzy Hammond (Ghana)

Mitspielende Musiker:
Joseph Adeyemi (Nigeria)
Eric Asante (Ghana)
Hans Hassler (Schweiz)


T
echnik:
Christophe Hulmann

 

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nach Afrika.
Musik, Tanz, Theater

nach Afrika. erzählt Geschichten, Visionen und Träume auf mehreren Ebenen, mit unterschiedlichen Formen, mit vielen Klängen, Farben und Bewegungen.

Zu Grunde gelegt ist nach Afrika. die Begegnung zweier Kulturen, die auf den ersten Blick verschiedener nicht sein können: hier Afrika, ein riesiger, unüberbrückbarer Kontinent, da die Schweiz, ein kleines, wohlgeordnetes, graues Land.

nach Afrika. fragt nicht zuerst nach den Unterschieden, fragt nicht nach politischen, wirtschaftlichen, religiösen Andersartigkeiten, sonder  erzählt die Geschichte von Andrea. Die junge Frau folgt ihrem Mann, der in Accra (Ghana) bei einem Schweizer Unternehmen eine weitere Sprosse seiner Karriereleiter erklimmen muss, nach Afrika. Zwar hat Andrea Angst vor dem unbekannten Land, doch auch in der Schweiz kann sie oft nicht schlafen, weil sie einen Druck auf der Brust spürt, wie wenn dort ein Tier liegen würde. Dieses Tier lässt sich aber auch mit der Reise nach Afrika nicht abschütteln. Andrea muss sich dem Tier stellen. in ihrem Kampf wird sie unterstützt von Lizzy, die mit ihren afrikanischen Methoden das Leid der jungen Schweizer Frau angeht. Andrea versucht, die offene, fröhliche, herzliche aber auch ihr sonderbar erscheinende Lebensweise der afrikanischen Menschne zu verstehen, was ihr aber kaum gelingt. Immerhin ist sie entschlossen, dem Druck auf ihrer Brust nachzugehen.

Über die unterschiedlichen  Lebensphilosophien wird nach Afrika. nicht mit vielen Worten nachgedacht. Es finden in nach Afrika. keine Diskussionen über die Unterschiede, die globalen Zusammenhänge, die historischen Fehlleistungen der Kolonisation, die Nachwirkungen des Sklavenhandels usw. statt. nach Afrika. soll statt dessen Räume öffnen für eine Begegnung mit tanzenden, musizierenden, Geschichten erzählenden Menschen aus dem schwarzen Kontinent und der Schweiz. Die Konfrontation, die auf der Bühne stattfindet, soll Stoff genug bieten, um dem Publikum einen eigenen Zugang zum Phänomen “verschiedene Kulturen und doch gemeinsam” zu ermöglichen.

Dadurch, dass die musikalischen und tänzerischen Elemente von Andreas Geschichte zusammengehalten werden, erhalten sie einen Boden, eine Art “Lesehilfe”, die es auch einem ungeübten Publikum ermöglicht, den Grund hinter den konzertanten und tänzerischen Teilen zu erkennen.

nach Afrika.: fünf verschiedene Menschen aus zwei unterschiedlichen Ethnien begegnen sich.

(Paul Steinmann)

 

 

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Die Produktion bedankt sich  bei allen Freunden und Bekannten, die mit ihrem Engagement und Interesse dieses Projekt begleitet haben:
Otto Huber, Helena Chilaule, Ester Adeyemi, Maya Künzler, Mauro Ambühl, Käthi Vögeli, Ursula Berger, Hans Troxler, Ems Troxler, Rita Bieri, Ann Vögtli, Chris Jäckli, Eva Müller

Wir danken für die Unterstützung:
Pro Helvetia, DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit), Erziehungs- und Kulturdepartement Kanton Luzern, Stadt Willisau, HEKS, Verein Begegnung 2001, Genossenschaft MIGROS Luzern, Brot für alle, Fastenopfer, Patronatskomitee Willisau, Ida und Albert Flersheim-Stiftung, Schweizerische Flüchtlingshilfe

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Pressestimmen:

>>>  Bilder. Träume. Tanz und Musik, Zeitungsverbund Innerschweiz, Pirmin Bossart  31.1.1997
>>>  Afrika ein Fiebertraum, Willisauer Bote, Stefan Eiholzer  1.2.1997
>>>  nach Afrika. oder die Vertreibuing des Toggalis Vorurteil  INFORMATION SZENE, Hansueli W. Moser-Ehinger  1.2.1997
>>>  Tanzen ist mein Leben, Aargauer Zeitung, by  6.2.1997
>>>  nach Afrika. Tanz, Musik und Theater, Südostschweiz, Bündner Zeitung, pdj  28.6.1997
>>>  Eine Reise nach Afrika und wieder zurück  Zuger Nachrichten, Fränzi Felder  15.9.97
>>>  Besuch des unbekannten Schwarzen Kontinentes  Freiburger Zeitung, Ueli Strasser  22.9.97
>>>  ‘Tanzen ist mein Leben’  Aargauer Zeitung, by  6.2.98
>>>  Die Zähmung des wilden Tiers in dir, Aargauer Zeitung, Andrea Meier  9.6.1998
>>>  Begegnung zweier Kulturen im ‘Ochsen’, Zofinger Tagblatt, amc  9.6.1998

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Nager, DS GRÄIS

1996     M / S / D / de / UA

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Plakat: Marc Philipp

Verein Attinghausen, Altdorf/Gessnerallee Zürich, F.X. Nager

 

Franz Xaver Nager: DS GRÄIS
Sprechoper für grosses Ensemble und Kammerorchester von Franz Xaver Nager

Altdorf Tellspielhaus / Gessnerallee Zürich

 

Premiere: 27. April 1996, Uraufführung
Altdorf: 9 Vorstellungen: 28. April bis 12. Mai
Zürich: 4 Vorstellungen: 7. bis 10. November

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Libretto – Franz Xaver Nager
Musik – Christoph Baumann
Inszenierung – Gian Gianotti
Ausstattung – Hans Gloor

Licht-design – Rolf Derrer, DELUX Zürich
Kostüme – Ruth Keller
Technische Leitung, Requisiten – Fredy Burkart
Maske – Jakob Peier

Ton – Benno Germann
Inspizienz – Leo Brücker-Moro
Fotos – Fany W. Brühlmann, Christof Hirtler
Grafische Gestaltung – Marc Philipp, Hans-Rudolf Lutz, Stefan Dittli

Projektleitung – Franz Xaver Nager

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Die Besetzung

Wyysi, Hirt auf Surenen – Toni Huber-Albrecht
Baschi, sein Knecht – Alois Telli
Noldi, sein Handbub – Stefan Gisler

Dr Wältsch, ein Händler – Enzo Filoni
Fredi Muheim, Alpvogt – Thomas Baumann-Widmer
Sepp Zgraggen, Viehhändler  Franz Ettlin

Hansueli Wyrsch, Dorfvogt – Walter Müller
Emmi Wyrsch, seine Frau – Anita Schenardi-Arnold
Hanni Wyrsch, ihre Tochter – Sandra Arnold
Veeri, ihr Sohn – Andri Schenardi

Schorsch, Wildhüter – Felix Schenker
Kari Gnos – Heribert Huber
Zilli, seine Magd – Zita Albrecht Huber

Pfarrer – Bruno Zurfluh
Bärti, Sigrist – Michael Imhof-Gisler
Barmherzige Brüder – Richi Tschanz, Roger Arnold
Ds Näüzi, Landstreicherin – Martha Telli

Hansi Traxel, Bauer – Beat Wyrsch-Moriggia
Reegä, seine Frau – Heidi Hofmann-Arnold
Zischgi, ihre Tochter – Simone Hofmann
Groosi – Regina Nager-Schmidig

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Drei junge Männer – Andreas Mathis, Thomi Gisler, Daniel Niffeler

Drei junge Frauen – Isabelle Hofer, Brigitte Blunschi, Brigitte Hächler

Lyyni, eine alte Jungfer – Lory Schranz-Gisler
Lyysäli, ein Mädchen – Andrea Hofmann
Verkäufer – Thomas Müller, Ignaz Walker

Frauen: Lisbeth Grossrieder-Simmen, Maria Imhof-Gisler, Franziska Jauch, Antonia Müller, Anita Schuler, Gaby Wyrsch-Moriggia

Kinder: Claudia, David und Gregor Bär, Michael Schranz.

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Das Orchester

Christoph Baumann, Piano, Leitung
Christoph Dienz,  Fagott
Christoph Gantert, Trompete, Waldhorn
Marco Käppeli, Schlagzeug
Marie Schwab, Bratsche
Jacques Siron, Kontrabass
Chris Wirth, Klarinette, Saxophon

Nick Parkin, Studio Tapes

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Allgemeine Mitarbeit
Benno Germann (Ton), Leo Brücker-Moro (Inspizienz), Fany W. Brühlmann, Christoph Hirtler (Fotos), Marc Philipp, Hans-Ruedi Lutz, Stefan Dittli (Grafik), Erich Megert (Logistik), Peter Zgraggen (Finanzen), Simona Bossard Bissig, Ruth Gisler, Eva Jauch-Kessler (Sekretariat), Claudia Arnold-Stadler, Ruth Gisler, Eva Jauch-Kessler (Schneiderei), Martin Walker (Leitung Schlosserei), Thomas Gisler (Scherinerei), Claudia Howald, Otmar Bertolosi (Medienbetreuung), Julia Huber, Hans Fussen (Kasse), u.a.

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“Ds Gräis” ein Sagenstoff
Ein auf der Alp Surenen tätiger Schafhirt erwirbt auf dem Markt ein junges Lamm aus Italien. Er vergöttert das Tier und vernachlässigt darob seine Hirtenpflichten. Als er das Lamm schliesslich gar tauft, verwandelt es sich in ein schreckliches Ungeheuer (Gräis) dem, Mensch und Vieh zum Opfer fallen. Die Urner züchten daraufhin während sieben Jahren einen mächtigen Stier heran, der von einer reinen Jungfrau auf die verwüstete Alp geführt werden muss. Gräis und Stier gehen im Kampf zugrunde. Auch die Jungfrau kommt um, als sie das Gebot, nicht zurückzuschauen, missachtet.

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Die Szenen

erstes Bild
Unter alpenländischen Abendglühen bringen der Hirt Wyysi, sein Knecht Baschi und deren Handbub Noldi ihr Tagewerk zu seinem Ende. So idyllisch sich die Bergwelt darbietet, so spannungsgeladen erweist sich das Verhältnis zwischen den zwei bodenständigen Älplern und dem jungen, widerborstigen Noldi, der dem Hirtenleben wenig abgewinnen kann.

zweites Bild
Auf dem Dorfplatz in Attinghausen herrscht buntes Markttreiben. Ein welscher Händler preist lautstark die Vorzüge des Lammes an, das er aus dem Süden mitgebracht hat. Noldi möchte das wundersame Tier um jeden Preis erwerben. Dem Hohn der Bevölkerung und dem lautstarken Einspruch des Pfarrers zum Trotz ist er bereit, dafür vor dem Lamm niederzuknien und den Rosenkranz zu beten.

drittes Bild
In der Alphütte auf Surenen sieht sich Noldi massiven Vorwürfen ausgesetzt, weil er das frisch erworbene Schaf vergöttert, ja sogar mit ins Bett nimmt, und damit die althergebrachte Hirtenregel verletzt, wonach auf der Alp alle Tiere gleich zu behandeln sind.

viertes Bild
Noldi bricht nachts in die Attinghauser Kirche ein. Er stiehlt Weihwasser und andere Taufutensilien. Vom Pfarrer überrascht, entflieht er, ohne erkannt zu werden.

fünftes Bild
Zurück in seinem Unterschlupf auf Surenen, macht sich Noldi daran, sein Lamm zu taufen. Ein furchtbares Gewitter bricht über die Alp herein. Krachend schlägt der Blitz in die Hütte.

sechstes Bild
Am Dorffest in Attinghausen ist der Dorfvogt Wyrsch des Lobes voll für seine Landsleute. Baschi taucht auf. Er ist dem Gewitter entkommen, steht aber unter Schock und gibt nur unverständliche Äusserungen von sich. Das Volk vermutet einen Zusammenhang mit dem Unwetter der vergangenen Nacht. Der Pfarrer berichtet vom nächtlichen Einbruch in der Kirche. Der Viehhändler Zgraggen und der Alpvogt Muheim, die beide ein gewichtiges Wort in der Gemeinde haben, erklären sich bereit, die Lage auf Surenen zu erkunden. Das Fest nimmt seinen trinkfreudigen Fortgang.

siebtes Bild
In der Dorbeiz berichten Zgraggen und Muheim von ihren unheimlichen Beobachtungen. Die Alphütte auf Surenen sei zerstört, von Wyysi und Noldi fehle jede Spur, und überall läge, übel zugerichtet, totes Vieh herum. Die Meinung macht sich breit, dass das Gräis über die Alp hereingefallen sei. Das Näüzi, eine alte Landstreicherin, weiss Rat. Um dieses schreckliche Ungeheuer zu bekämpfen, soll während sieben Jahren ein mächtiger Stier herangezüchtet werden. Dem Dorfvogt, dessen Tochter Hanni den Stier in den Kampf führen soll, widerstrebt der Plan.

achtes Bild
Um die für die Aufzucht des Kampfstiers benötigte Milch zu beschaffen, soll auch der arme Bauer Trachsel eine seiner beiden Kühe hergeben. Seine Frau misstraut Muheims Aussage, es handle sich dabei um einen Beitrag zum gemeinen Wohle. Auf die Haltung des Dorfvogts angesprochen, berichtet der Alpvogt, Wyrsch fröne mehr und mehr dem Trunke und entziehe sich der gemeinsamen Aufgabe.

neuntes Bild
Der Wildhüter Schorsch, der sich Hoffnungen auf die Tochter des Dorfvogts macht, spricht im Hause Wyrsch vor. Er will verhindern, dass Hanni sich unnötig in Gefahr begibt. Bei der streng religiösen Mutter findet er aber so wenig Gehör wie beim Dorfvogt selber, der sich angesichts seines vergeblichen Widerstands gegen die geplante Problemlösung in den Alkohol flüchtet. Hanni erklärt, dass sie sich aus freien Stücken dazu entschieden habe, die ihr von Gott und der Gemeinschaft gestellte Aufgabe zu übernehmen.

zehntes Bild
Sieben Jahre sind um. Hanni, deren Verhalten zunehmend wahnhafte Züge annimmt, widersteht Schorschs letztem Versuch, sie von ihrem fatalen Vorhaben abzubringen.

elftes Bild
Vor versammeltem Volk künden Muheim und Zgraggen, die offensichtlich die Zügel in die Hand genommen haben, den Tag der Entscheidung an und danken allen für ihren Einsatz zur Überwindung der Gräis-Plage. Ihr Vorschlag zur künftigen Nutzung der Alp Surenen stösst allerdings nicht auf einhellige Zustimmung. In einem feierlichen Prozessionszug wird Hanni auf den Platz geleitet. Der Pfarrer berichtet, dass ihr die Muttergottes erschienen sei, und preist ihre christliche Tugendhaftigkeit und Opferbereitschaft. Hanni, vom Wahn erfasst, meint den Jubelchor der Engel zu vernehmen, der sie die Himmelstreppe hinan begleitet. Während sie von Zgraggen und Muheim weggeführt wird, steigert sich das Volk in die kollektive Ekstase eines archaisch-religiösen Kultes hinein.

Epilog
Zgraggen und Muheim treten als Autoren der Gräis-Sage auf. Ihrem Bericht zufolge kam es auf Surenen zu einem schrecklichen Kampf, den weder Gräis noch Stier überlebten. Unter nicht genau geklärten Umständen soll dabei auch die Jungfrau den Tod gefunden haben.

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Fotos: Fany W. Brühlmann

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Fotos: Fany W. Brühlmann, Flüelen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Lucia Degonda

 

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“Ds Gräis” :
>>>  Das Programmheft      pdf, 44 Seiten,  Fotos: Christof Hirtler

 

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Pressestimmen:

>>>  Sprechoper ‘Ds Gräis’ kommt auf die Bühne,  Bündner Zeitung, bz  7.2.96
>>>  Ein kultureller Brückenschlag,  Alternative, Brigitte Hächler  April 1996
>>>  Stoff aus der Urner Sagenwelt,  Brückenbauer, Carl J. Wiget  16.4.96
>>>  Ds Gräis, Folklore ohne Volkstümelei,  SonntagsZeitung, Marco Guetg  21.4.1996
>>>  ‘Das nimmt bimäich äs läids Änd’  Weltwoche, Nina Töpfer  25.4.96
>>>  Eine Parabel um Anpassung und Widerstand, Natur und Kultur,  Bündner Tagblatt, Meinrad Buholzer  29.4.96
>>>  Beeindruckende natürliche Urchigkeit  Urner Zeitung, red.  29.4.96
>>>  Es scheppert und kracht  Basler Zeitung, David Wohnlich  29.4.96
>>>  ‘Das chunbt nit güät …’  Tages Anzeiger, Erika Achermann  29.4.96
>>>  Jazz-Improvisation zu Mundart-Blues,  Innerschweizer Nachrichten, Urs Mattenberger  29.4.96
>>>  ‘Ds Altä phaltä, as am Nyywä chyywä’,  NZZ, aks  29.4.96
>>>  Spannende Umsetzung einer alten Sage: ‘Ds Gräis’,  Bündner Zeitung, sda  30.4.96
>>>  Unheimatlich  ZüriTip, Erika Achermann  31.10.96
>>>  Wenn der Hirt sich in ein Schaf verliebt,  Schaffhauser Nachrichten, Meinrad Buholzer  4.5.96
>>>  Leben aus Reduktion bis an die Grenze zur Abstraktion,  Information Szene, Hansueli W. Moser-Ehinger  4.5.96
>>>  Die Jungfrau und das Ungeheuer  ZüriWoche, Charlotte Peter  7.11.96
>>>  Alpsegen, saftwurzliger Urner Dialekt und Jazzimprovisation  Tages Anzeiger, Benedikt Scherrer  9.11.96
>>>  Neue Form für Laientheater,  Tagblatt der Stadt Zürich, Andreas Panzeri  9.11.96

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Gianotti, KASSANDRA

1995     S / D / M

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Produktion:  theaterforum.ch  –  Zürich.

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Kassandra, nach Christa Wolf
Darstellung eines Mythos, 1995  – ein EUROPA-Projekt von Gian Gianotti

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theaterforum.ch

Das Konzept KASSANDRA    CASSANDRE    CASSANDRA 
ist ein auf Langfristigkeit angelegtes, mehrsprachiges, archaisches Schauspielprojekt mit zeitgenössischer Musik.

. In eigenen, ähnlichen Textfassungen mit grossflächigen Überschneidungen wird der Mythos der Kassandra aus verschiedenen Altersstufen und Optiken betrachtet.
. Hauptthema ist die Veränderung der Sprache und der Lebenshaltung im Matriarchat/Patriarchat, in der Macht/Ohnmacht, in Kriegsvorbereitungen/Kriegsfolgen/Nachkriegszeiten.
. In ihren letzten Stunden analysiert Kassandra die Entstehung einer kriegerischen Konfrontation und ihre Weigerung.
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Als erste Inszenierung für das Projekt wurde die deutschsprachige Fassung angegangen und realisiert.
Dabei wurde die Verbindung der Kunstrichtungen Schauspiel (Leontina Lechmann), neue ernste Musik (Martin Derungs) und Minimal Art in der bildenden Kunst (Not Vital) gepflegt.
Das Licht-Design von Rolf Derrer war die Fortführung einer langjährigen Zusammenarbeit.

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Deutschsprachige Fassung:

Gian Gianotti nach Christa Wolf, KASSANDRA

Premiere: 21. Juni 1995
Basel, Vorstadt Theater

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Kassandra  –  Leontina Lechmann
Violoncello  –  Martin Zeller

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Inszenierung: Gian Gianotti
Musik: Martin Derungs
Bühnenbild: Not Vital

Dramaturgie: Paul Steinmann
Licht-Design: Rolf Derrer

Technische Mitarbeit: Michael Oggenfuss, Serge Schmuki, Fredy Burkart, Rolf Derrer, Andreas Hunziker, Ruedi Schärer

Grafik: Hans-Rudolf Lutz, Marc Philipp

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© . Die Rechte von Gustav Kiepenheuer Verlag Berlin, sowie von Gian Gianotti und Martin Derungs, Zürich  werden über das  theaterforum.ch  verwaltet.

 

KASSANDRA
Bisher wurden 26 Aufführungen gespielt in Basel, Bern, Zürich, Luzern, Chur, St.Gallen und am Probeort Weil am Rhein.

Unter dem Patronat der UNESCO-Schweiz, mit Unterstützungen von:
Pro Helvetia, MIGROS Genossenschafts Bund MGB, Migros Basel, Konferenz der Schweizer Städte für Kulturfragen KSK, Charles Veillon Stiftung, Stadt und Kanton Zürich

Eine grosszügige Unterstützung aus dem Jubiläumsfond der DEUTSCHEN BANK DB Frankfurt wurde uns für die “Europa-Fassung” glaubwürdig in Aussicht gestellt. Nach dem Rückzug derselben wurde die Fortsetzung der Arbeit in den weiteren Sprachen erschwert. Die  französische und die italienische Fassung “pausierten” längere Zeit in verschiedenen Stadien der Arbeit und wurden dann allmählich aufgegeben, so auch angedachte und vorbesprochene Besetzungen mit Cathy Bernecker/Isabelle Huppert und Atina Cenci/Giulia Lazzarini.

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Zum Thema
Die letzten Stunden der Kassandra. Ein Gespräch über Macht, Armut, Wohlstand, Freiheit, Unabhängigkeit, Würde, Haltung und Persönlichkeit. Über das Leben zwischen Matriarchat und Patriarchat, die Entstehungsanalyse einer kriegerischen Konfrontation und einer Weigerung. Ein Mythos über Lebenshaltung und Tod. Eine “Wort-Rede-Erzählung” (Mythos) unter dem Fluch der Seher-Sensibilität/Fähigkeit bis vor dem eigenen Tod.

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Zum Text
Von der Erzählung KASSANDRA von Christa Wolf stellte Gian Gianotti eine grundsätzliche Strichfassung von ca. 30 Seiten her. Dazu wurden einzelne Textstellen von Christa Wolf aus VORAUSSETZUNG EINER ERZÄHLUNG als Bestandteile ihrer Haltung und Ästhetik eingefügt, einzelne Gedanken aus ANSPRACHEN sowie aus REISE NACH TABOU verwendet und eigene Kontext-Gedanken, Deutungen und Übergänge neu geschrieben. Dies ergab eine Verbindung der antiken Geschichte und der Identität in der aktuellen Friedens-Haltung.

Diese Textbasis gilt grundsätzlich für alle drei Sprachen und wird mit jeweiligen charakterlichen und vom Alter her begründeten Extemporierungen ins Französische und Italienische übernommen. In jeder Sprache werden jeweils andere kulturelle Lebens- und Beziehungsformen bedient und mit je einer eigenen musikalischen Komposition von Martin Derungs begleitet.

Für die deutschsprachige Fassung wurde in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Paul Steinmann eine zusätzliche Assoziations- und Kommentar-Ebene als Collage aus heutigen Zitaten und Perspektiven hergestellt und als Programmheft gedruckt. Für die weiteren Fassungen wurde diese dramaturgische Verankerung bisher nur skizziert.

Sprachlich und theatralisch überarbeitet entstand daraus vorerst die deutschsprachige
>>>  KASSANDRA  Spielfassung      pdf, 27 Seiten
>>>  KASSANDRA  Das Programmheft mit dem Text      pdf, 36 Seiten

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Umsetzung
Ein Monolog für eine Schauspielerin in Konfrontation und im Gespräch mit dem Monolog eines Instrumentalisten in einer Raum-Ästhetik nach den Prinzipien der Minimal-Art.

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Inhalt
Kassandra, eine Tochter des Trojaner-Königs Priamos, Seherin und Prophetin des Untergangs von Troja, sitzt auf dem Beutewagen des Siegers Agamemnon und wartet auf den Tod. Christa Wolf stellt das innere Geschehen, die Gedanken und Gefühle der Kassandra in den Mittelpunkt. In einem grossen inneren Monolog denkt sie noch einmal wichtige Phasen ihres Lebens, Erkenntnisse und Entscheidungen durch.

Es geht um ihren Beruf, das Amt der Seherin: Schon als junges Mädchen will Kassandra dieses Amt, und mit ihm bekommt sie eine klar umrissene Aufgabe in der Gesellschaft. Ihre Wahl hat schwerwiegende Folgen, denn das Amt der Seherin zwingt sie, die Wirklichkeit genau, unverstellt wahrzunehmen, es zwingt sie dazu, das Wahrgenommene auszusprechen, nicht zu verschweigen, nicht zu verdrängen. Kassandra braucht lange, um das herauszufinden und um den Mut zu einem solchen Handeln aufzubringen. Wahnsinn und Gefängnis bleiben ihr auf diesem Weg nicht erspart. Auch muss sie sich entscheiden, auf wessen Seite sie sich stellt: auf die der Herrschenden, zu denen sie ihrer Geburt nach gehört, oder auf die Seite der Frauen, die am Ufer des Skamandros leben und sich dem Krieg verweigern.

Es geht um ihre Liebe: an die Zuneigung zum Vater, die später in Verachtung umschlägt; an die Liebe zu Aineias, einem liebens-werten und liebesfähigen Mann, der nicht, wie die anderen, auf Kampf aus ist, sondern auf Versöhnung; und schliesslich an die Liebe zu Myrine, einer schönen und kämpferischen Frau, die zu den Amazonen gehört. Aineias und Myrine sind Menschen mit androgynen Zügen, Menschen, die autonom sind und die Autonomie eines anderen gelten lassen.

Es geht um ihren Hass: auf Eumelos, einen kaltblütigen Karrieristen, der die Macht in Troja an sich reisst, den Krieg vorbereitet und schliesslich bis zum Untergang vorantreibt; auf Achill das “Vieh”, einen Mann, der besessen ist von seiner Zerstörungslust. Ihre Weigerung richtet sich letztlich gegen die Männerherrschaft und ihre schrecklichen Folgen – Krieg, Vernichtung, Unterdrückung des anderen.

Kassandra ist eine Frau, die um Autonomie und Identität ringt, die mühsam und schmerzlich beides erreicht und deshalb sterben muss. Weibliche Autonomie und Stärke sind bei Trojanern und Griechen nur noch am Rande der Gesellschaft, in engen räumlichen und zeitlichen Grenzen möglich. Eine Frau, die diese Grenzen überschreitet, die sich einmischt und die Wahrheit sieht, muss zum Schweigen gebracht werden.

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Fotos
Diese Aufnahmen können frei verwendet werden.
Wir bitten Sie, die Bilder mit  Foto: theaterforum.ch  zu bezeichnen

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Das Bühnen-Modell

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Vor dem Stadttor von Mykene …

 

Christa Wolf endete ihre Erzählung mit:

… Das Lich erlosch. Erlischt.
Sie kommen.

Hier ist es. Diese steinernen Löwen haben sie angeblickt.
Im Wechsel des Lichts scheinen sie sich zu rühren.

Meine Fassung:

Hier ist es. Hier ende ich. — An diesem Tor, vor euch – vor mir.

… Lebt der Gedanke, einmal in der Welt, in einem andern fort?

Danke für die Zeit, die ich hier noch hatte.

Guten Abend!

 

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Not Vital, “White Horse” – Il chavà da Cassandra, als “Kunst des Jahres im Theater Winterthur 2000/01”

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Europa-Idee
KASSANDRA ist die deutschsprachige Fassung eines europäischen Zielprojektes. Unter der gleichen Produktionsleitung wird in deutscher, französischer und italienischer Sprache mit je einer anderen Produktionsgruppe gearbeitet. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die drei Fassungen ausgewertet und zu einer vierten zusammengefügt. Diese dreisprachige Fassung geht dann wiederum auf Tournee in die grösseren Städte Zentraleuropas.

Das Projekt bleibt weiterhin aktuell. Leider.

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Das Europa-Konzept, die Reihenfolge ergab sich aus den vorgesehenen Produktionszeiten

Deutsche Fassung,   KASSANDRA .. in Gelb, mit Violoncello – die Analyse (Die Verletzung der Seherin)
Französische Fassung,   CASSANDRE .. angedacht in Rot, mit Saxophon – die Rebellion der junge Frau (Die Verletzung der Jugend)
Italienische Fassung,   CASSANDRA . .angedacht in Grau-Braun-Schwarz, mit Akkordeon – die Rache der Mutter (Die Verletzung der Familie)

Musik – Martin Derungs, Der Kompositionsauftrag lautete: “Drei verschiedene, für sich stehende Grundkompositionen, die mit den jeweiligen Sprachen in drei Duo-Formationen (D-F / F-I / I-D) wechseln können und sich zuletzt in eine Trio-Formation weiterentwickeln kann.”

Ausstattung – Not Vital, ausgehend von seinem Pferd (Gips) und drei Transportkisten wird die Idee der Wartehalle weiterentwickelt. Die Sackgasse vor dem Stadttor in Mykene.

Die drei Textfassungen werden in der jeweiligen Erstsprache (D, F, I) entwickelt, dann in die drei Zweisprachigkeiten (D-F / F-I / I-D) und schliesslich in die Dreisprachigkeit (D-F-I) geführt. Diese letzte, dreisprachige Fassung wird dann erst als die Europäische Dimension weitergespielt.

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>>>  KASSANDRA  Spielfassung        pdf, 27 Seiten
>>>  KASSANDRA  Das Programmheft mit dem Text               36 Seiten pdf

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Pressestimmen: 

>>>  Pro-Helvetia- Kompositionsauftrag für ‘Kassandra’ von Martin Derungs  Bündner Zeitung, fro  10.3.95
>>>  Kassandra dreifach  Basler Zeitung, chr.  11.5.95
>>>  ‘Kassandra’-Projekt soll zu einem europäischen Theateraustausch führen  Bündner Zeitung, fro  11.5.95
>>>  Ein postmodernes Melodram mit Musik  Weil am Rhein, Jürgen Scharf  15.6.95
>>>  Europaprojekt  Baslerstab, Verena Keller  19.6.95
>>>  Kassandra  Basler Zeitung, BaZ.  20.6.95
>>>  Brief von Christian Bleiker  ANSTATT Kulturbüro, St.Gallen  23.6.95
>>>  Gianottis ‘Kassandra’-Projekt in Basel, Die Statue als Museumsführerin  Bündner Zeitung, Günther Fässler  23.6.95
>>>  Kassandra für Kenner  BaslerZeitung, Margaret Jardas  23.6.95
>>>  ‘Nie war ich lebendiger als jetzt’  Luzerner Zeitung, Günther Fässler  23.6.95
>>>  Sie ist nicht Kassandra, sie spielt sie  Basellandschftliche Zeitung, Joerg Jermann  23.6.95
>>>  Kassandra – eine Heldin der Gelassenheit  St.Galler Tagblatt, Günther Fässler  23.6.95
>>>  Design ist alles, Christa Wolfs ‘Kassandra’ als ‘Europa-Idee’ in Basel  NZZ, Alfred Schlienger  28.6.95
>>>  Eine Figur, drei Sprachen, drei Wege zu einem Ganzen  Information Szene, Hansueli W. Moser-Ehinger  1.7.95
>>>  Der Blick der Seherin zurück in die Gegenwart  FACTS, Catharina Fingerhuth  24,1995
>>>  Eine abgeklärte Seherin irgendwo im Nirgendwo  Nebelspalter, Daniel Schällibaum  28.1995
>>>  Aktualität der ‘Kassandra’  St.Galler Tagblatt, Helga Schabel  19.1.96
>>>  Kassandra, analytisch  Neue Luzerner Zeitung, sc  25.1.96
>>>  Ich lebe meine Weigerung – bis in den Tod  Neue Luzerner Zeitung, Hugo Bischof  27.1.96
>>>  Gian Gianottis ‘Kassandra’ im Theater-Studio  Bündner Tagblatt, Peter Masüger  7.2.96
>>>  Ankündigung  Berner Woche, Berner Zeitung  29.2.96
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Steinmann, VEREINSAMKEIT

1994     S / de / D / UA

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Plakat: Ruth Schürmann

Spielleute Luzern, Pavillon, Tomy Büchler

Paul Steinmann: VEREINSAMKEIT
Spielleute Luzern, Pavillon

 

Premiere: 19. Oktober 1994, Uraufführung

 

Inszenierung – Gian Gianotti
Ausstattung – Ruth Schürmann

Musik – Dodo Luther
Licht – Martin Brun
Assistenz – Ursula Mehr
Bühnenbau – Thomy Büchler, Bäni Brun, Christi Fischer
Projektleitung – Franz Koch

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Ensemble:

Martin Amacher, Urs Bättig, Otto Bernauer, Mage Brun, Ursi Brun-Weiss, Hans Eggermann, Alban Fischer, Bea Flückiger, Nynke de Haan, Irene Ibanez-Bucher, Pelham Jones, Renata Kälin, Stephan Kelz, Rita Mäder-Kempf, Kathrin Müller, Markus Oehen, Simon Oehen, Ruth Pfister, Beat J. Reichlin, Veronika Schmidt, Felix Vonwartburg, Sara Wechsler, Sandra Wüthrich

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Mit der grosszügigen Mitarbeit und Unterstützung der Mitglieder des Vereins
Spielleute Luzern

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Paul Steinmann: Gedanken zur Entstehung des Stückes

 

  1. Ausgangsfragen

Wenn ich als Autor davon ausgehe, dass Theater etwas mit dem Leben, hier und jetzt, zu tun haben soll, dann muss ich mir, beim Herangehen an ein neues Stück die Frage stellen: was macht denn heute mein/unser Leben aus?

Also: Worüber muss ich (dringend) etwas sagen? Was beschäftigt mich jetzt (am meisten)? In welche Gedanken, Ideen, Visionen möchte ich Zeit und Energie investieren? Und: Wie geht es mir mit der Welt und dem, was sie zusammenhält? Was macht mir meine Träume schwer und mein Herz bitter? Oder umgekehrt: Was leicht und süss?
Und schliesslich: Kann ich darüber etwas äussern?

Dabei gehe ich davon aus, dass es nichts Neues gibt, keine neuen Themen, keine neuen Geschichten. Es kreist auch das Theater immer um das, worum es auch im Leben dauernd geht und sich dreht: Liebe, Tod, Macht, Ohnmacht, Widerstand, Phantasie, Spannung, Anziehung, Angst.

 

  1. Mitspielen

Auf eine Umfrage der Luzerner Spielleute hin meldeten sich über 20 theaterspielwillige Menschen. Einige andere wollten dieses Spiel organisieren, anleiten, von aussen beeinflussen. Diese Menschen haben ihre Geschichten, ihre Stimmen, ihre Gesichter, ihre Körper, ihre Haltungen, Meinungen, Fragen. Sie stehen in ihrem Leben auch an einem bestimmten Punkt. Sie haben ein Alter, eine Lebenserfahrung, Wünsche an das Leben, Visionen, Enttäuschungen, ein Sehnen, Schmerzen. Mit all dem (und noch viel mehr) betreten sie den Proberaum, die Bühne, stehen sie im Leben. Sie müssen sich behaupten, sich wehren, sich finden, suchen, essen, schlafen.

Diese Menschen unterscheiden sich insofern von anderen Menschen, als sie das Bedürfnis haben, einen Teil von sich selbst einem Publikum zu zeigen. Sie stellen sich hin, zusammen mit anderen, und sagen: Schaut her, so bin ich auch. Um sich aber zu schützen, wählen sie eine Figur aus, die Texte sagt und handelt, wie ein Autor oder eine Autorin es vorbestimmt.

Ich wollte wiederum für genau diese Menschen Figuren erfinden und Texte schreiben. Dafür musste ich sie ein wenig kennen lernen, musste ich sie über ihre Vorstellungen befragen, musste ich sie spielen sehen.

 

  1. 60 Jahre (Die erste Idee)

Die Luzerner Spielleute feiern ihr 60-jähriges Bestehen. Was läge da näher, als sich in einem Theaterstück mit einer Amateur-Theatergruppe auseinander zu setzen. Das sind Leute, die an das Theater Leib und Seele hängen. Die für eine Premiere ein halbes, ein ganzes Jahr ihrer Zeit opfern. Abends nach der Arbeit, an den Wochenenden, in den Ferien. Sie erleben Premieren und die Premierenfeiern als Höhepunkte im Jahr, vielleicht sogar in ihrem Leben.

Doch die Idee war zu wenig griffig. Nach Diskussionen mit der Produktionsgruppe verwarf ich sie und stand wieder am Anfang. Auch wenn ich liebend gerne sicher gewesen wäre, ist es doch nicht schlecht, noch einmal und öfter wieder von vorne anzufangen. Ein Prozess kam in Gang. Neue Ideen wachsen auf dem Kompost der alten.

 

  1. Ein Chor (Zweite Idee)

Klar war zwar noch immer, dass ich eine Gruppe von Menschen zeigen wollte. Menschen, die einer Sache wegen zusammenkommen und gemeinsam etwas tun. Vom Theaterspiel aber war ich weggekommen und dachte daran, einen Gemischten Chor zu porträtieren.

Zum Beispiel bei einer Schallplattenaufnahme. Oder in einem Radiostudio, 1934 bei einen Liveauftritt im Landessender Beromünster. Oder: wie wäre ein Chor zu zeichnen, der sich im Jahre 2034 in einem rustikal nachempfundenen Klubraum zum Singen von Liedgut aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts zusammenfindet?

Ich wusste nicht, welche der Situationen die spannendere sein würde, die rückwärts-gewandte (2034), die vorwärts-gerichtete (1934) oder die Situation, in der beide Chöre und Jahre einander gegenüber gestellt wurden.

Doch am Wichtigsten erschien mir immer noch: was für Menschen sind in diesen Chören mit dabei, was machen sie, denken sie, sind sie, haben sie, dürfen sie, sollten sie nicht, wollen sie, entbehren sie? Was sind die Gründe, weshalb Menschen in Chören singen? Was bringt Leute dazu, beträchtliche Teile ihrer Freizeit zu opfern, um auf eine Bühne zu stehen?

Zudem gibt es in solchen Gruppen immer auch bestimmte Gesetzmässigkeiten. So gibt es in allen Gruppen, Vereinen, Clubs ganz bestimmte Rollen, die fast immer besetzt werden.
– Jene, die alles besser weiss, offiziell aber nichts sagt.
– Jener, dem es gefällt, Verantwortung, Macht und Schlüssel zu haben.
– Die Samariter, die guten und die aufdringlichen, die immer da sind, auch wenn man ihre Hilfe gar nicht braucht.
– Die Fixierten, die einmal im Leben eine Idee hatten und diese nun ein Leben lang verkaufen. Und nicht davon zu überzeugen sind, dass die Idee gewissen Mängel haben könnte.
– Die Machenlasser, die selber jede Anstrengung unternehmen, nicht mitdenken zu müssen, die zum vornherein alles den anderen überlassen und nur da sind, wenn sie wollen, sich dann aber unentbehrlich fühlen müssen.
– Die Möchtegerne, die es nie irgendwo geschafft haben und jetzt ihre Künstlerseele im Gemischten Chor glauben ausleben zu müssen. Sie haben sich Allüren zugelegt, hören nie zu, wenn man sie kritisiert und verstehen weder Spass noch die Argumente der anderen, sondern wollen nur eines hören: Lob.
– Die Schwärmer von den alten Zeiten, wo doch alles viel besser war, was natürlich stimmt, denn früher waren die, die jetzt schwärmen, noch jünger und deshalb konnten sie damals besser geniessen und dabei sein und mit saufen und Nächte durchmachen und lachen.
– Die Gewöhnlichen.
– Die Krampfer, die alles tun, was man ihnen sagt. Zuviel vielleicht. Die aufleben in dieser künstlichen Welt. Mitreissend. Aktiv. Kraftvoll.

 

5. Der Chor. der Verein und die Einsamkeit (3. Idee)

Es werden Menschen gezeichnet, es werden Geschichten aufflammen. Es werden die Spannungen gezeigt, die entstehen, wenn eine Gruppe von Frauen und Männern zusammen etwas machen und einer Öffentlichkeit präsentieren will. Hässliche Spannungen, erotische, masochistische und sadistische, unbedarfte, intellektuelle, lustige und tödliche vielleicht.

Nach dieser Phase galt es dann, Rollenbilder zu entwerfen. Ich tat dies aufgrund eines Fragebogens, den die Spielerinnen und Spieler ausfüllten. Nach und nach schälte sich ein Hauptthema heraus. Es würde ein Stück über Einsamkeit werden. Die Gruppe von fast 30 Menschen kommt zwar zum Singen und Jubiläumsfeiern zusammen, aber es sind Menschen, die allein sind oder sich allein fühlen oder allein sein möchten. Diese zwei Seiten, hier das gemeinsame Tun, dort das einsame Denken und Fühlen, wurde für mich das Thema des Stückes.

Zusammen mit dem Regisseur, dem musikalischen Leiter und den anderen Produktionsmenschen, entwickelte sich schliesslich das Stück Unterhaltungsabend: VEREINSAMKEIT.

 

  1. Inhalt

Zu seinem 60-Jährigen Jubiläum gibt der Gemischte Chor ein Konzert. Titel desselben: “TRÄUMEREIEN IN DUR UND MOLL – LIEDER AUS 60 JAHREN”. Mit einem abwechslungsreichen Programm wollen die Mitglieder des Gemischten Chores ihr Publikum unterhalten und gleichzeitig ein wenig in den Erinnerungen blättern. Sie lassen die Jahre, die seit 1934 vergangen sind, musikalisch Revue passieren.

Mitten im Konzert gibt es Stops. Die Zeit wird angehalten, um dem Theaterpublikum die Möglichkeit zu geben, in die Gedanken der Sängerinnen und Sänger Einblick zu erhalten. Gewisse Lieder erwecken in gewissen Chormitgliedern gewisse Erinnerungen. Gedanken aus ferner Vergangenheit tauchen ebenso auf, wie Visionen über die Zukunft und die Probleme, mit denen diese Menschen jetzt zu kämpfen haben. Es gibt Sänger, die erzählen, weshalb sie in diesem Chor singen und Sängerinnen, die erklären, weshalb sie diese wöchentlichen Proben so sehr lieben. Es gibt solche, die einen schwarzen Tag, ein schwarzes Leben hinter sich haben und solche, die nur das Helle, Schöne sehen.

Die Chormitglieder können in Monologen ihre Gedanken formulieren, sie können aber auch Dialogpartner suchen, Gesprächspartnerinnen herbeiwünschen oder -befehlen.

Der Chor, der zu Beginn des Konzertes eine Gruppe (Masse) von anonymen Menschen ist, soll im Verlauf des Stückes immer mehr zu einer Gruppe (Masse) von individuellen Persönlichkeiten werden, deren Geschichten man glauben mag oder nicht, deren Schicksale man bedauern mag oder nicht, deren Lebenswege man mit Spannung und Interesse, mit Abscheu oder mit Lachen, mit Stirnrunzeln oder Gleichgültigkeit verfolgt.

Das Stück entstand also in Zusammenarbeit und im Zusammengehen mit allen, die den Mut aufbrachten, sich auf etwas Neues, Eigenartiges, Unsicheres einzulassen. Ihnen allen gehört mein Dank!

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Und Hoffnung
(von der Schwere der Leichtigkeit)

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Was sucht der Mensch im Leben
wenn er nach dem Sinn im Leben sucht?

Er sucht nach Form von Sein im Leben,
die ihn in seine Form von Leben führt

und findet dann vielleicht ein Bild
das ihm sein Sein verspricht

und bildets dann
und knetets fest
zu Stand und Klump

und findet sich
im Suchen stets
nach neuem Stoff
zu kneten fest

bis alles dann
vielleicht gelingt:
so leicht, so stimmig klar,

dass ihm das Leben
stimmig leicht
ist Form und Stand
zu leichtrer Suche dann.

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Gian Gianotti, Luzern 1994

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Pressestimmen: 

>>>  Die Spielleute proben das Leben im Verein  LNN, Eva Roelli  13.10.94
>>>  ‘Vereinsamkeit’ mit Unterhaltung und Tiefgang  Luzerner Zeitung, pb.  18.10.94
>>>  Gefühl von Leere ‘zwischen hier und Du’  Luzerner Zeitung, Hugo Bischof  21.10.94
>>>  Vereint im Verein und doch einsam  LNN, Urs Bugmann  21.10.94
>>>  Vom ewigen Besserwisser zum unbarmherzigen Samariter  Information Szene, Hansueli W. Moser.-Ehinger  22.10.94

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Gianotti, JOHANNA & Co.

 

 

Gian Gianotti,  JOHANNA  & Co.  –  Eine szenische Lesung im Studio.

Schlosstheater Celle, Malersaal,  1994   S / DE
Intendant:  Serge Roon

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Mit:
Susanne Burkhard
Christine Passow
Isabella Wolf
Veronika Wolff

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Die Angaben aus dem Spielzeit-Programm:

Mittel-Seite 28-29

Studio im Malersaal

Bisher wurde hier gehandwerkt. In Zukunft soll es so bleiben.
Wir werden im Malersaal, in dieser nüchternen
Atmosphäre ohne Vorhang, doppelten Boden, Flimmer
und Glimmer, Projekte erarbeiten, Werkstatt-Theater machen.
Wir wollen hier handwerklich mehr riskieren als auf der Hauptbühne.
Was auch meint: extrem, überraschend,
aber auch spielerisch Theater machen.
Damit werden wir einem neugierigen Publikum die
Möglichkeit geben, uns genauer auf die Finger zu sehen, zu
erleben wie manchmal aus Handwerk Kunstwerk wird.

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Seite 32:

Johanna, eine Frau.

“Ditié de Jeanne d’Arc” von Christine de Pisan
“Johanna” von Martin de Franc
“Dame du temps Jadis” von François Villon
“Jeanne d’Arc in Heinrich VI” von Shakespeare
“Johannae virginis Francae” von Vallerand de Verranes
“Tragedie de Jeanne d’Arques” von Anonym
“Jeanna Darcia” von Nicolaus Vernulaeus
“Die Heldin von Orléans” von Johann Gottfried Bernhold
“Die heilige Johanna” von Friedrich Schiller
“Die heilige Johanna” von Bernard Shaw
“Die heilige Johanna der Schlachthöfe” von Bertolt Brecht
“Johanna auf dem Scheiterhaufen” von Paul Claudel
“Jeanne d’Arc” von Max Mell
“Jeanne oder die Lerche” von Jean Anouilh

… wer ist Johanna?

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Johanna
Ein szenisches Projekt
von Gian Gianotti

Inszenierung: Gian Gianotti
Ausstattung: Linda Kowsky

ab 28.01.1994

 

 

 

Was das Projekt wollte:

Text:  Gian Gianotti,  Johanna & Co.

Die Produktion wollte eine engagierte, schnelle und direkte Theater-Kommunikation im neuen  “Studio im Malersaal”  definieren. Das Thema von Schiller, Shaw, Brecht, Anouilh u.a. … hätte mit Zitaten aus aktuellen Berichten zur  “Johanna-Haltung-Heute”  ein eher jüngeres und engagiertes Publikum erreichen und aufbauen wollen.

Theater-intern wollte ich als Oberspielleiter mit dieser Produktion neue theatralische Arbeitsweisen der  Szenischen Lesung  angehen:   vom direkten Gespräch über die Lektüre bis zur theatralischen Darstellung und Diskussion.

 

Kündigung:
Nach der ersten Probewoche wurde das  Projekt  am 11. Januar 1994 vom Intendanten abgesetzt.
Damit war mein Vertrag als Oberspielleiter in Celle gebrochen und die Zusammenarbeit abgeschlossen  –  Schade …

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PS:
Nach über 20 Jahren kann ich nur sagen:   Zum Glück !
Nur mit Druck kann man kein Theater machen  –  Zum doppelten Glück !

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Nager, ATTINGHAUSEN

1993     S / de / D / UA

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Grafik: Hans-Rudolf Lutz mit Marc Philipp

Verein Attinghausen, Altdorf/Gessneralle Zürich, F.X. Nager

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Franz Xaver Nager: ATTINGHAUSEN – Autor und Projektleiter
Sprechoper von Christoph Baumann, Gian Gianotti, Franz Xaver Nager

Altdorf/Gessneralle Zürich

Premiere: 24. November 1993
Aufführungen: 26., 27., 28. November,  3., 4., 5. Dezember in Altdorf, Tellspielhaus
8., 10., 11. Dezember in Zürich, Theaterhaus Gessnerallee
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Musik – Christoph Baummann
Inszenierung – Gian Gianotti
Bühne – Ruedi Schärer
Licht – Rolf Derrer

Kostüme – Lilo Kuhn
Requisiten – Fredy Burkart
Maske – Jakob Peier

Technik – Fredy Burkart, Ruedi Schärer

Produktionsleitung – Franz Xaver Nager

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Premierenmeldung aus dem BLICK vom  25.11.93

Geschichte steht Kopf
Gessler war ein Einheimischer!
Altdorf UR – Auf den Brettern des Altdorfer Tellspielhauses, wo sonst Gessler vom Tell-Pfeil getroffen zu Boden sinkt, ereignet sich Ungewöhnliches: Landammann Johann von Attinghausen wird von einem Dienstmann mit der Axt erschlagen. So will es die Sprechoper “Attinghausen”, die am Mittwoch Premiere hatte.

Vierzig Urner Schauspieler beschäftigen sich mit ihrer Geschichte und ihrer Zukunft. Sie singen nicht, sie sprechen: Opernmelodie ist ihr farbiger, weit ausschwingender Dialekt.

Grundlage sind neue Forschungsergebnisse des Historikers Dölf Wild. Dieser kommt zum Schluss: Tell, falls es ihn gegeben hat, widersetzte sich keinem fremden Vogt. Gessler muss ein Einheimischer gewesen sein. Und als solcher “Zwingherr” käme Johann von Attinghausen in Frage – der Sohn jenes Werner von Attinghausen, der in Schillers “Wilhelm Tell” die Freiheitsbestrebungen der Bauern unterstützte.

Der Urner Autor Franz Xaver Nager zeigt ihn als Politiker und Wirtschaftsmagnaten, der Entwicklungen in die Wege leitete, die Uri grundlegend veränderten.

Bei der Premiere gab es herzlichen Applaus. “Attinghausen” wird noch bis 5. Dezember in Altdorf und ab 8. Dezember in der Zürcher Gessnerallee gespielt.

Josef Ritler

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>>>  Informations-Dossier zu  ATTINGHAUSEN  von Franz Xaver Nager, Initiant und Projektleiter        pdf, 14 Seiten

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Mitspieler:

Johannes von Attinghausen – Marco Schenardi
Schweinsberg – Werner Biermeier
Rudolf Meier von Silenen – Stefan Gisler
Johann Meier von Bürglen – Josef Arnold-Luzzani
Rudolf Fürst – Walter Müller

Konrad Kluser – Toni Huber-Albrecht
Trudi Kluser – Anita Schenardi-Arnold
Elsi – Anne Marie Germann-Dahinden

Ueli Knutli – Bernhard Dittli
Hedi Knutli – Sandra Arnold
Walti Knutli – Andri Schenardi

Werner Schüdier – Alois Telli
Sepp – Matteo Schenardi
Pfarrer – Bruno Zurfluh

Vier Bauarbeiter – Thomas Gisler, Hans-Jakob Jauch, Roger Arnold, Stefan Gisler

Drei Kinder – Simone Hofmann, Franziska Jauch, Brigitte Blunschi

Landleute von Uri:
Gabriela Arnold, Franz-Xaver Huber-Nauer, Maria Imhof-Gisler, Michael Imhof-Gisler, Eva Jauch-Kessler, Agnes Müller-Schönenberger, Beat und Gaby Wyrsch-Moriggia

Äbtissin des Fraumünsters – Irene Fussen-Felder
Rudolf Brun – Josef Hürlimann
Heinrich Biber – Hermann Herger

Jakob – Clemens Jauch
Magdalena – Zita Albrecht Huber

Zwei Lustmädchen – Carmen Valsecchi, Franziska Dahinden

Stoffhändlerin – Heidi Hofmann-Arnold
Salzhändlerin – Regina Nager-Schmidig
Eisenwarenhändler – Richi Tschanz

 

Orchester:

Christoph Baumann – Klavier, Leitung
Simon Beyeler – Violine
Marie Schwab – Viola
David Gattiker – Violoncello
Jacques Siron – Kontrabass
Dorothea Schürch – Vocal
Martin Schlumpf – Bassclarinette
Priska Walss – Trompete
Stephan Diethelm – Perkussion

 

Allgemeine Mitarbeit:

Benno Germann (Ton), Leo Brücker-Moro (Inspizienz), Christoph Hirtler (Fotos), Marc Philipp, Hans-Ruedi Lutz (Grafik), Erich Megert (Logistik), Peter Zgraggen (Finanzen), Ruth Gisler, Linda Gamma, Simona Bossard-Bissig, Hans Fussen-Felder, Julia Huber, Eva Jauch-Kessler (Sekretariat), Claudia Arnold-Stadler, Esther Gamma, Lisbeth Grossrieder-Simmen, Simone Girardin (Schneiderei), Thomas Gisler, Markus Holzgang (Bühnenbau), Reto Gamma (Medienbetreuung), u.a.

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Inhaltsangabe

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erstes Bild

Nach der Totenmesse für ihren Landammann erörtern die Urner Landsleute die Lage ihrer Heimat. Der Sohn des Verstorbenen, der Freiherr Johannes von Attinghausen, setzt seinen Anspruch auf die politische Führerschaft durch. Als neuer Landammann verspricht er allen, die mit ihm am gleichen Strick ziehen, eine bessere Zukunft.

zweites Bild

lm Schächental hat der Bergbauer Ueli Knutli ein mühseliges Auskommen. Seiner Frau Hedi, der Tochter des Grossbauern Rudolf Fürst, machen die kargen Lebensverhältnisse und Uelis Eigensinn besonders zu schaffen. Attinghausen stellt ihnen neue Verdienstmöglichkeiten in Aussicht.

drittes Bild

In Zürich hat der Urner Landammann als Richter über die Klagen der Fraumünsteräbtissin gegen ihren Dienstmann in Bürglen zu befinden. lm Gespräch mit Bürgermeister Rudolf Brun erkennt Attinghausen, dass ihm der Gotthard ungeahnte wirtschaftliche und politische Perspektiven eröffnet.

viertes Bild

Auf dem Altdorfer Marktplatz findet Attinghausens Ankurbelung des Gotthardhandels und des Söldnerwesens nicht nur Zustimmung.

fünftes Bild

Um die Gotthardroute besser zu kontrollieren, lässt Attinghausen den Turm bei Amsteg zu einer grossen Festung ausbauen. Der Vorwurf wird laut, dass der Bauherr mit dieser ‘Zwing Uri’ wohl eher die Knechtung der eigenen Landsleute im Auge habe.

sechstes Bild

Zusammen mit dem Meier von Silenen kehrt Attinghausen aus Italien heim, wo mit den Visconti günstige Zollverträge abgeschlossen werden konnten. lm Gespräch mit seinem Parteigänger wird Attinghausens wachsende Geringschätzung für die Urner Landleute offenkundig.

siebtes Bild

In Klusers Gastwirtschaft kommt es zum Streit zwischen Fürst und seinem Schwiegersohn, der sich als ‘Viehdieb’ mit dem Meier von Bürglen angelegt hat.

achtes Bild

In Zürich soll der Bürgermeister in einem Erbstreit zwischen der Äbtissin und Attinghausen vermitteln. Brun stellt sich auf die Seite des Urner Freiherrn. In aufgeräumter Stimmung planen die beiden Machtpolitiker den Ausbau der Eidgenossenschaft.

neuntes Bild

Mit Attinghausens Aufstieg haben sich auch dessen Moralvorstellungen gewandelt. Als er unverblümt Druck aufsetzt, um sich die schöne Hedi Knutli gefügig zu machen, nimmt das Unheil seinen Lauf.

zehntes Bild

Ob dem Tod Attinghausens gerät das urnerische Machtgefüge ins Wanken. Der Meier von Bürglen bringt Attinghausens eigennützige Machenschaften ans Tageslicht. Er nutzt die Gunst der Stunde, um sich als neuer Führer zu profilieren und mit seinen Gegnern abzurechnen.

...

 

. . ..Etz gseet

Fotos von Christof Hirtler, Altdorf

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Dölf Wild, Das historische Quellenmaterial, 1993:
>>>  Attinghausen, Uri und die Eidgenossenschaft       pdf, 15 Seiten

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Das Programmheft

 

 

Pressestimmen: 

>>>  ‘Attinghausen’ setzt neue Akzente  Urner Zeitung, UZ.  2.3.93
>>>  Aufstieg und Fall eines Urner Machthabers  Alternative, Armin Braunwalder  September 93
>>>  ‘Eppän äinisch isch de ggnüägg’  Luzerner Zeitung  5.11.93
>>>  ‘Dr Fortschritt laat si nit la brämsä’  Urner Zeitung, sib.  6.11.93
>>>  ‘Ryybed iär zersch äinisch dr Flaarz uss dän Äuga!  Urner Wochenblatt  13.11.93
>>>  Z Boodä mit dem Hèrräsitz  LNN Apéro, Heinz Stadler, Michael Solomicky, Urs Mattenberger, Ruedi Bomatter, Bilder Christof Hirtler  18.11.93
>>>  Auf wen schoss Wilhelm T.?  Wochenzeitung WOZ, Othmar Bertolosi  19.11.93
>>>  Gianottis Musiktheater-Projekt ‘Attinghausen’  Bündner Zeitung, sda  19.11.93
>>>  Gessler war ein Einheimischer!  Blick, Josef Ritler  25.11.93
>>>  ‘Diä Atlechä bifäälet, d’Püürä häntschnet’  LNN, Urs Mattenberger  26.11.93
>>>  Kino ohne Leinwand  Basler Zeitung, bli  26.11.93
>>>  Gelungen  Tages Anzeiger, Thomas Meyer  26.11.93
>>>  Viel Applaus für ‘Attinghausen’  Urner Zeitung 26.11.93
>>>  Aufstieg und Fall eines Urner Ritters  Luzerner Zeitung u.a., Fritz Schaub  26.11.93
>>>  Parabel vom Dilemma einer Randregion am Puls der Zeit  Solothurner  27.11.93
>>>  Vom Versuch, ‘äs Gschichtli z verzellä’  Urner Wochenblatt, Christian Mattli  27.11.93
>>>  Altdorfer Sprech-Tell bringt die Tellsage ins Wanken  Tages Anzeiger Kulturtips, Reto Gamma  27.11.93
>>>  ‘Attingnhausen’ in Altdorf, an den Rändern schaut die Realität herein  Bündner Zeitung, Reinmar Wagner  27.11.93
>>>  Aufstieg und Fall eines Gotthardpolitikers  NZZ René Karlen  27.11.93
>>>  Frevel am Gotthard  Tages Anzeiger Magazin, Martin Schaub  27.11.93
>>>  Wagnis und kühne Herausforderung  Information Szene  27.11.93
>>>  Kulturereignis um eine Kultfigur  SonntagsZeitung, Christina Gubler  28.11.93
>>>  Pressespiegel zur Sprechoper ‘Attinghausen’  Urner Woche,  1.12.93
>>>  Neue Töne aus Uri  Züri Woche, Anne Reich  2.12.93
>>>  Innerschweizer Impressionen à discretion  Solothurner  9.12.93
>>>  ‘Am Ättighüüsä syys Aggräis’  Berner Zeitung, Peter Brunner  8.12.93
>>>  Der Apfelschuss ist Dekoration  Tages Anzeiger, Thomas Meyer  3.12.93
>>>  Uri am Puls der Zeit  Die Weltwoche, Christian Seiler  2.12.93

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Sophokles, KÖNIG OEDIPUS

1994     S / D

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Schlosstheater Celle, Direktion: Serge Roon

OEDIPUS, ein König
In der Übersetzung von Kurt Steinmann

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Premiere: 15. Oktober 1993

 

 

Meine Kraft ist mein Sehen
mein Sehen Blindheit
meine Blindheit Licht

Gian Gianotti

 

 

Besetzung

Oedipus – Rainer Süssmilch
Kreon – Jürgen Lorenzen
Iokaste – Veronika Wolff
Antigone – Susanne Burkhard
Teiresias – Eberhard Hoffmann
Bote aus Korinth – Günter Adnan Köse
Hirte des Laios – Helmut Thiele

Chor:
Christine Passow
Christiane Pohle
Isabella Wolf
Bernd Lamprecht
Marius Marx

 

Leitung:

Inszenierung – Gian Gianotti
Ausstattung – Paolo Bernardi
Dramaturgie – Iwona Ubermann
Musik – Martin Lingnau

Regieassistenz und Chorkorrepetition – Marius Marx
Bühnenbildassistenz – Linda Kowsky
Kostümassistenz – Ursel Heinrich
Hospitanz – Annika Kippel

 

 

Zur Musik, aus der Vereinbarung mit Martin Lingnau
Ausgehend von ‘Teiresias’ möchte ich eine Gesprächsfähigkeit mit der übersinnlichen Ordnung erreichen/erzeugen/provozieren. Über die Musik soll eine ’natürliche Sensibilität’ und ‘Aufmerksamkeit’ erreicht und gezeigt werden.

Dafür wünsche ich mir:

  • einen Grundteppich an natürlichen Klängen, Geräuschen (Wind, Wasser, Temperaturwechsel, tektonische Verschiebungen usw.) oder liegende, künstliche Klänge, die mit der Konsonanz, Dissonanz und Dynamik Räume aufmachen,
  • um darüber einzelne Wal-Klänge oder Wal-Pfiffe* als Akzente zu platzieren, die auf Textstellen und Situationen der Inszenierung zur Vor- oder Nachbereitung, Befragung oder Bestätigung einer Aussage oder Situation einwirken.

*CD Blackfish Sound – John Ford, Underwater Communication of Killer Whales in British Columbia, VACD 900, 1992 BANFF MUSIC

Gian Gianotti, 9.9.93

 

 

Oedipus und die Sphinx
Hellmut Flashar

Die Sphinx als Mischwesen mit Löwenleib und Menschenkopf ist orientalischen Ursprungs. Bei den Ägyptern wurde so die geistige und physische Macht des Königs dargestellt. Über Kreta und Mykene drang die Sphinx in die griechische Kunst ein, vor Tempeln als Wächter, aber auch in anderen Formen und Funktionen. In der literarischen Überlieferung ist sie nur mit dem Oedipus-Mythos verbunden. Die Ursprünge liegen im Dunkeln. In der Theogonie Hesiods (7. Jahrhundert v. Chr.) wird eine «Phix» als für Theben verderblich bezeichnet; vielleicht war sie ursprünglich eine alte, unheimliche Berggöttin, die später mit dem Bild der Sphinx verschmolzen wurde.

Warum die Sphinx Theben bedroht, geht aus der Überlieferung nicht mehr klar hervor. Jedenfalls erschien sie vor Theben, als König Laios, der Vater des Oedipus, abwesend war, um das Orakel in Delphi zu befragen. Sie nützte das Machtvacuum aus.

Der Oedipus – Mythos ist keine feststehende Größe; er wird in der Dichtung, in der bildenden Kunst und wohl auch in mündlicher Überlieferung ständig weiterentwickelt. Ob in einer frühen Fassung Oedipus die Sphinx im Kampf überwand, wie es griechische Helden (z.B. Herakles) gewöhnlich mit Ungeheuern tun, wissen wir nicht. Archäologische Zeugnisse erlauben den Schluß, daß die Sphinx im 6. Jahrhundert v. Chr. zur Rätselstellerin wird und sich selbst den Tod gibt, als Oedipus das Rätsel löst. Das Rätsel selbst ist uns erst durch spätere Quellen überliefert. Es lautet (im Griechischen in der Versform des Hexameters): «Es gibt auf der Erde ein Wesen, das ein und dieselbe Stimme hat, aber zwei, vier und drei Füße. Es allein verwandelt sich von allen Geschöpfen, die sich auf der Erde, in der Luft und im Wasser bewegen. Doch wenn es, auf die meisten Füße gestützt, geht, dann ist die Kraft dieses Wesens in seinen Gliedern am schwächsten».

Viele Thebaner konnten dieses Rätsel nicht lösen und wurden Opfer der Sphinx. Offenbar suchten sie nach einem Wesen, das die genannten Eigenschaften gleichzeitig besitzt. Oedipus hat entdeckt, daβ es sich um das Nacheinander eines solchen Wesens (Kindheit, Reife, Alter) handelt. Er hat damit die Dimension der Zeit entdeckt, die zuerst an der Lebenszeit erfahren wird, wie wir es in der frühgeschichtlichen Dichtung und Philosophie gerade des 6. und frühen 5. Jahrhunderts v. Chr. eindringlich und erstmals belegt finden. Daβ des Rätsels Lösung der Mensch ist, eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Lösung des Rätsels mit dem Löser in Verbindung zu bringen, d. h. das Schicksal des Oedipus als Symbol für die Verfassung des Menschen zu deuten, zunächst wohl in dem Sinne, da6 der Mensch sich seiner Grenzen und Hinfälligkeit bewußt sein soll.

Dies alles ist bei Sophokles schon vorausgesetzt, vor allem durch das im Jahre 467 v. Chr. in Athen aufgeführte Oedipus Drama des Aischylos innerhalb einer Tetralogie, die als letztes Stück das Satyrspiel «Sphinx» enthielt, das uns ebensowenig erhalten ist wie der «Oedipus» des Aischylos.

Sophokles deutet in seinem Drama mehrfach auf die Besiegung der Sphinx hin. Diese Tat gilt als ein Zeugnis höchster Intelligenz, mit der Oedipus die Stadt gerettet hat. Weil er dies geleistet hat, soll er nun – das ist die Ausgangslage bei Sophokles die Stadt angesichts der Bedrohung durch die Pest noch einmal retten. Aber die Besiegung der Sphinx markiert zugleich den Weg ins Unheil. Denn als neuer König von Theben wird Oedipus zugleich Gemahl der Königin, seiner (unerkannten) Mutter. Der gro6e Rätsellöser wird letztlich das Opfer. Aber es bleibt in allen von Sophokles beeinflußten Zeugnissen abendländischen Denkens und Dichtens die Lösung des Rätsels der Sphinx durch Oedipus mit dem Rätsel Mensch, seinem Wesen, seinen Möglichkeiten und Grenzen verknüpft.

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(Hellmut Flashar ist ordentlicher Professor für Klassische Philologie an der Universität München. Sein Text «Oedipus und die Sphinx» wurde eigens für unser Programmheft geschrieben.)

 

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Die Pest
Kurt Steinmann

Der Anfang des OEDIPUS: Wehgeschrei, Flehen, Not. Theben treibt dahin wie ein Schiff im Orkan’ Die Stadt ist krank, stirbt. Ihr Immunsystem ist zusammengebrochen: das Getreide verfault, das Vieh verendet, die Frauen erleiden Fehlgeburten. Zu diesen Schrecknissen hinzu die PEST. Warum? Die Stadt birgt in ihren Mauern ein Miasma, eine moralische Befleckung. Das Hinsterben ist der somatische Ausdruck innerer Fäulnis’ Theben ist schuldig: die Mörder des Laios wurden nicht aufgespürt’ Oedipus soll helfen als Retter, als «Heiland» (sotér). Die Polis, keinen anderen Ausweg erkennend, wirft sich ihm blind vertrauend in die Arme. Wer schon einmal Unglück bannte, wird auch diesmal den Heilsweg finden’ Doch der vermeintliche Helfer entpuppt sich als «eine Herrlichkeit, darunter von Übeln eiternd»., als Verursacher der Katastrophe. Wehe dem Land, dessen Not so groß ist, daβ es seine Errettung von einem einzigen Heilsbringer erwartet !

Im Fortgang des Stücks wird die Fahndung dem Laios-Mörder abgelöst von Oedipus’ Suche nach seiner Identität. Damit wird auch die Pest ausgeblendet, ja, ihr Ende wird nicht erwähnt, nur stillschweigend angenommen mit der Aufdeckung des Laios – Mörders. Die Pest ist der Katalysator des Plots.

Der OEDIPUS wurde zwischen 429 und 425 v. Chr. aufgeführt. Die Athener im Dionysostheater erinnerten sich natürlich an ihren Übervater Perikles und an die Pest, die 429 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Viele hatten Angehörige verloren, und erschüttert dachten sie wohl an ihre Lieben, wenn der Chor von den Söhnen der Stadt sprach, die «unbetrauert am Boden liegen, todverbreitend, unbeweint».

Der OEDIPUS reflektiert das Geschehen der realen Pest, die wie Thukydides schildert, auch Religion und Moral untergrub.

Die Pest ist Chiffre für alles Destruktive und Nekrophile unserer Welt. Für «Pest» Synonyma zu finden, ist heute leider nur allzu leicht.

 

(Kurt Steinmann ist Mittelschullehrer für Altphilologie in der Schweiz. Er übersetzt und kommentiert für Reclam die griechischen Tragödien neu. Sein Text «Die Pest» wurde ebenfalls für unser Programmheft geschrieben.)

 

 

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Aus dem Programmheft:  Ein Gespräch mit dem Regisseur

 

Ist «König Oedipus» ein Schicksalsdrama oder ist es eher eine Schuldtragödie ?
Ich möchte keiner dieser Richtungen die Priorität geben. Das Zornige und Draufgängerische des Oedipus ist ein Teil seines Charakters. Impulsiv wurde er zum Mörder. Das ist Schuld. Ihm wurde aber immer auch Wahrheit vorenthalten. Das wirkt schicksalshaft.

Oedipus ist eine vielschichtige Person. Was interessiert Dich am meisten an ihm ?
Daβ er trotz der Lüge, die ihn umgibt, die Wahrheit sucht und sich dieser Sachlage stellt, offen und ehrlich. Und daβ er Konsequenzen daraus zieht und so eine neue Basis schafft für seine menschliche Definition und Verantwortung. In der Liebesbindung in der Familie findet er Geborgenheit und Lebensmotivation. In der Analyse seines Falls findet er Klarheit. Durch die Zerstörung seiner bisherigen Lebensform findet er Zugang zu einer höheren Lebenskultur und Weisheit.

Ist Oedipus ein emotionaler Mensch oder ist er vor allem Rationalist ?
Seine Form der Analyse ist emotional. Impulsiv. Ganz ist er nur mit seinen Gefühlen und mit seinem Denken. Ein liebender Denker, der neue Wege der Definition der menschlichen Abhängigkeit und Verstrickung durch bestehende Kulturwerte geht.

Du hast für deine Inszenierung eine eigene Schlußszene geschrieben …
Ja, als Einstieg in einen anderen Kontext. Als Hinweis auf den Antigone-Stoff, der in anderen sophokleischen Stücken weiterentwickelt wird, ober in «König Oedipus» bereits thematisch aufschaut.

Ist die alte Aufgabe der Tragödie, Katharsis, Reinigung, heute noch aktuell?
Nicht nur bei der Tragödie, beim Theater allgemein. Auch eine Komödie sollte etwas bewirken wollen. Unterhaltung ja, ober, dieses und jenes doch nicht verschweigen – oder wenigstens, dieses und jenes, was nicht unterstützt werden sollte, auch nicht unterstützen. Bei der Tragödie suche ich eine Ästhetik der Tiefe, eine Konfrontation mit Grundsätzlichem. Sicher spielerisch, leicht und locker, aber ins Grundsätzliche führend.

Planst Du eine weitere Beschäftigung mit dem antiken Drama ?
Wir planen weitere Auseinandersetzungen mit den Grundfragen des menschlichen Seins, dazu gehören auch die griechischen Dramen, Geschichtsabfolgen, Trilogien, Tetralogien, verschiedene Autoren, Zeiten usw. … bis hinein in die Moderne. In der Beschäftigung mit der Antike interessiert mich die Oedipusthematik über «Kolonos» bis zur «Antigone» auch für das Theater hier in Celle.

 

(Das Gespräch führte Iwona Uberman)

 

 

Das Programmheft
>>>      König Oedipus       pdf, 15 Seiten

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Pressestimme:

>>>  Flotte Enthüllung, König Oedipus im Schlosstheater Celle Hannoversche Allgemeine Zeitung, 19.10.93

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Gryphius, PETER SQUENTZ

1993     S / D

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Gryphius: PETER SQUENTZ
Schlosstheater Celle, Direktion: Serge Roon

 

Andreas Gryphius

HERR PETER SQUENTZ, ein Schimpffspiel

Schlosstheater Celle, Direktion Serge Roon
Premiere: 13. August 1993, 20.30 Uhr, Schlossinnenhof / Hauptbühne

 

Inszenierung: Gian Gianotti
Ausstattung: Alex Müller
Musikalische Einrichtung: Martin Lingnau
Dramaturgie: Martina Rolf
Regieassistenz: Marius Marx

 

Besetzung:

Herr Peter Squentz: Herbert Karsten
Pickelhäring: Günter Schaupp
Meister Krix: Susanne Burkhard
Meister Bulla Buten: Ercan Durmaz
Meister Klipperling: Marius Marx
Meister Lollinger: Helmut Thiele
Meister Klotz-George: Bernd Lambrecht
Der König: Helmut Dicke
Die Princessin: Christine Passow
Der Marschalck: Eberhard Hoffmann

 

Doppelinszenierung für den Schlossinnenhof und für die Hauptbühne
(während des Spiels konnte bei Regen in 15 Minuten von der Freilicht- auf die Bühnenvariante umgestiegen werden)

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Ein Gespräch zur Inszenierung, aus dem Programmheft:


Schon bei der ersten Lektüre des Squentz-Textes faszinierte mich sofort ein Satz in der 1. Szene, “Der Mond muss darbey seyn, wenn wir die Comoedie spielen.”

Der Mond wird hier überraschenderweise und ganz naiv einfach als Trabant behandelt, der dem Wunsch des “egozentrischen Künstlers” schlicht folgen muß. Er hat natürlicherweise zu scheinen, wenn wir uns schon äußern.

Warum dieses Stück als erste Aufführung eines Neuanfangs insgesamt?

Gewissermaßen symbolisch? Nein, im Stück kommen Menschen zusammen und wollen spielen für ein Publikum, von dem sie gehört haben, daß es theaterinteressiert sei. “Uns zur Freude und zur Bestreitung der Einnahmen.”

Gryphius ist ja ein eher selten gespielter Autor.

Es sieht so aus, wenn man die Spielpläne durchsieht – aber der Autor ist doch einigermaßen bekannt, vom Namen her. Daß er selten aufgeführt wird, geschieht ganz zu Unrecht.

Aber diese altdeutsche, barocke und kauzige Sprache ist uns doch sehr fremd geworden. Muß man den Text für ein heutiges Publikum modernisieren?

Nein. Meines Erachtens ist das für die Leichtigkeit einer Komödienpräsentation gar nicht nötig. Ich möchte uns konfrontieren mit der Kauzigkeit dieser Vorlage, dieser Personen, die damit ja auch ihre Welt präsentieren, ihre Originalität, ihre Zeit. Gryphius, das ist ein freudiger, barocker Sprachschmaus.

Der König im Stück ist eine überaus leutselige, humorvolle Persönlichkeit. War das eine Verbeugung des Autors vor den damaligen, noch sehr restriktiven Verhältnissen? Hatte er Angst vor der Zensur, oder fürchtete er gar um seinen Kopf?

Wenn sie es nicht direkt auf einen Kopf abgesehen hatten, waren die Herrscher schon immer freundliche Persönlichkeiten, und ganz besonders wenn sie einen guten Tag hinter sich hatten. Und das erwähnt unser König bei seinem Auftritt, “Wenn heute schon alles so gut gegangen ist mit unseren Geschäften, dann gönnen wir uns doch auch noch etwas Theater, so zum Dessert…” (frei zitiert).

Peter Squentz, ein quasi Jean Paulsches Dorfschullehrerlein, ist verblüffend gebildet. Darf man das als historisch möglich ansehen?

Peter Squentz ist eine Kunstfigur, und vielleicht karikiert der Autor damit auch ein ländlich/provinziell/überehrgeiziges Allerweltswissen. Gryphius allerdings war ein sehr gebildeter Protestant, Politiker, Erzieher.

Eine letzte Frage. War die Uraufführung des Textes eine Freilichtaufführung?

Ich konnte nirgends herausfinden, wann, wie oder wo die Uraufführung des Werkes stattfand, nehme es aber nicht an. Die Dialogführung ist hier, verglichen mit anderen Vorlagen aus der Zeit, zu außergewöhnlich fein schattiert. Aber gerade das interessiert uns: Mit dem “Spektakel Freilichttheater” auch künstlerisch feinschattierter umzugehen.

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Cellesche Zeitung, Montag, 16. August 1993
Schloßtheater-Premiere von “Herr Peter Squentz”

Unterhaltsames Possenspiel

Als Auftakt der Spielzeit 1993/94 Sommertheater im Celler Schloßhof. Das Wetter hatte sich schließlich doch für ein freundliches Gesicht zu diesem Anlaß entschieden. Und die abendlichen Besucher wurden bereits vor dem Schloß von Schülern des KAV-Gymnasiums musikalisch eingestimmt auf ein unterhaltendes Spiel aus Farbenpracht und komödiantisch- schillernder Darstellung.

Der “Herr Peter Squentz” des Andreas Gryphius würde alsbald heraustreten, Namen für Namen die braven Handwerker von Rumpelskirchen heranrufen, um ihnen mitzuteilen, daß der König mit Gefolge durch den Ort kommen werde, und man ihm bei dieser Gelegenheit eine – schöne Komödie tragieren wolle. Die Liebesmär von Piramus und Thisbe soll es sein.

Eifrige Zustimmung, dann ratloses Staunen – wer soll denn den Löwen spielen und wie ihn zum Sprechen bringen, und wie sollen sie’s mit der Wand halten, einer Wand, die redet? Auch ein Brunnen muß her, natürlich ein Brunnen, der Wasser spritzt. Und der Mond, wie, wenn er zu dieser Stunde nicht scheint? Aber der Mond muß da sein, sonst wird die ganze Komödie zunichte gemacht. Den Piramus zu finden, ist nicht allzu schwer, aber Thisbe, woher die nehmen?

Unaufhaltsam treiben die Vorbereitungen nun ihrem Höhepunkt entgegen, einem tölpelhaften Spiel aus übertriebenen Gebärden und derber Sprache. Inszenierung (Gian Gianotti) und Ausstattung (Alex Müller) harmonieren völlig miteinander. Das Schloss selbst und drei, Trichtern ähnliche, begehbare Objekte, zum Dreieck auf dem Hof angeordnet, sind die wirkungsvollen Requisiten dieser Aufführung.

Eine saftige Farbenpalette überzieht die gesamte Szenerie und bietet dem Auge eine schwelgerische Optik höfischer Lebensphilosophie wie kurzwelliges Amüsement angesichts des theatralischen Aufzugs der Handwerksmeister. Dieses Erscheinungsbild wird von der Regie mit einem bis zum Exzeß bewegten Schwung ausgefüllt.

Das Spiel ist fast nicht zu bremsen, scheint es bisweilen, fängt sich jedoch immer wieder, hastet, überrascht von albernen Einfällen, voran, nutzt mit gelegentlich ausschweifender Lust und hemmungslosem Übermut die Gegebenheiten auf- und abzurennen, sich im Kreis zu drehen, mal von oben, mal von unten einen Blick auf die eigene Posse zu werfen.

Das adelige Publikum im Stück – der König (Helmut Dicke), die Prinzessin (Christine Passow), der Marschalck (Eberhard Hoffmann) mischt sich hier und da mit süffisanten Kommentaren ein. Insgesamt hält Gian Gianotti diese Gruppe am Rand des Geschehens. Sie bleibt gerade soweit gegenwärtig, daß der Sinn des ganzen Aufhebens nicht völlig in Vergessenheit gerät – nämlich durch die artikulierte Distanz zwischen der höfischen Gesellschaft und der niederen Herkunft der Handwerker, durch das bewußt-bissige, unbewußt-lächerliche Reagieren aufeinander, das absurd-Komische der Situation aufzudecken. Die Schein-Wirklichkeit, in die sich die Aristokraten zurückgezogen haben, die Illusion, in der die Handwerker ihr Sein (er)tragen, verwischen die Grenzen.

In den Mittelpunkt dieser Aufführung rücken die Außenseiter des barocken Welttheaters, hier die Handwerker. Sie vergnügen sich mit drastischen Späßen und Mätzchen, mit clownesken Einfällen, wie sie von den Wanderbühnen bekannt sind, sie reden, unbekümmert ihre Verse verstümmelnd, als seien sie zu Hause:

Meister Bulla Buten (Ercan Durmaz) hat schon bald nichts mehr von seinem Zettel abzulesen und agiert umso tollkühner mit seiner Wand; unwohl in seiner Haut, angriffslustig, grollend der Löwe alias Meister Klipperling (Marius Marx); Meister Lollinger (Helmut Thiele) zeigt sich dem Publikum nicht nur als wahrer Meistersinger, sondern auch als schelmisch spritzender Brunnen; selbst der Mond von Meister Krix (Susanne Burkhard) beginnt zu scheinen; nichts steht also des Pickelhärings Piramus (Günter Schaupp) und Meister Klotz-Georges Thisbe (Bernd Lambrecht) noch im Weg, durch und an der Wand vorbei ihr ironisch-karikierendes Liebesende vorzuführen.

Derweil verfolgt Herr Peter Squentz (Herbert Karsten) köpfschüttelnd, wie der von ihm verfaßte Text verhunzt wird; kann er doch wenigstens in seinem Prolog wie in seinem Epilog mit mäßigenden Worten auf das “Schimpffspiel” einwirken. Unerschrocken hält er an seiner hohen Selbsteinschätzung eines universal gebildeten Mannes fest, sich, mit mildem Lächeln, der Ehrfurcht der Meister gewiß; ebenso eifrig-demütig, trotzig zeigt er sich gegenüber der höfischen Gesellschaft.

Wohl kaum anders als zu früheren Zeiten amüsierte sich das Premieren-Publikum von heute immer dann am meisten, wenn das Spiel besonders deftig und derb geriet, wo die Komödianten in großmäuligen Gebärden schwelgten. Die kurzweilige Unterhaltung verfehlte nicht ihre Wirkung.

Ingrid Kulenkampff

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Pressestimmen:
>>>  Peter Squentz, Unterhaltsames Possenspiel,  Cellesche Zeitung,  16.8.1993
>>>  Ein Schimpfspiel am Celler Schlosstheater: Barockes mit bravour  Stadt-Magazin, Celler Szene 9.93

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Monteverdi u.a., PETRARKISMUS

1993   M / D / IT  –  Kurs mit Abschlussvorstellung

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Monteverdi Kurs mit Aufführung
Musikkonservatorium Zürich, Matthias Weilenmann/Gian Gianotti

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Eine Uraufführung

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Ausgehend von der Kurstätigkeit am Musikkonservatorium Zürich zum theatralisierten, konzertanten Auftritt beim   >>>  BABEL-Projekt  (September/November 1992)  und in  Weikersheim (September 1990)  fassten wir die Grundthemen der Theorie und Praxis zusammen und hinterfragten sie nach jeweiligen Erfahrungen erneut. Damit verbunden war die praktische Arbeit an der Vorbereitung und Darstellung des Monteverdi-Madrigals  “Or che ‘l ciel e la terra e ‘l vento tace” als raumszenisches, stimmlich-musikalisches und instrumentales Werk.

5 Tageskurse im grossen Saal des Musikkonservatoriums an der Florhofgasse und im Rhythmischen Seminar Zürich (8.3., 26.3., 20.5., 21.5., 24.5.) ein Abschlusswochenende (4., 5. und 6. Juni 1993) und eine halb-öffentliche Präsentationsveranstaltung in Vorstellungsform am 10. Juni 1993 im Florhofsaal – Uraufführung.

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Andrea del Castagno, Francesco Petrarca, particolare del Ciclo degli uomini e donne illustri, affresco, 1450, Galleria degli Uffizi, Firenze

Beteiligte Studierende / Musiker:

Regula Dickerhof – Klavier, Alt
Barbara Dziewien – Orgel/Cembalo, Sopran
Adriana Gehmacher – Blockflöte, Mezzo
Claudia Gerauer – Blockflöte, Alt
Heidi Gschwind – Gesang, Mezzo
Ellen Heydagen – Blockflöte, Alt
Laetitia Heinzmann – Querflöte, Alt
Javier Ignacio Hagen – Gesang, Bariton
Martina Joos – Blockflöte, Alt
Andrea Knutti – Blockflöte, Sopran
Dieter Lämmlin – Orgel/Cembalo, Tenor
Martina Meyer – Blockflöte, Alt
Barbara Nägele – Blockflöte, Alt
Petra Rodeburg-Eimann – Blockflöte, Sopran
Cora Schmeiser – Blockflöte, Sopran
Jeremias Schwarzer – Blockflöte, Bass
Ines Zehner – Blockflöte, Alt

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Der Text:
Francesco Petrarca (1304 – 1374), Or che ‘l ciel e la terra e ‘l vento tace
Werk: Il Canzoniere (1337 – 1349)

Die Musik:
Claudio Monteverdi (1567 – 1643), Or che ‘l ciel e la terra e ‘l vento tace
Werk: Madrigali guerrieri et amorosi (1638)


Die Kurs-Idee:

Der Geher in der Welt, in den Gedanken, in der Musik

Petrarca, als Wanderer (Besteigung des Mont Ventoux, 1336),
Vergil, als Lebenskampf/Wanderung “Lentus in umbra” bis
Peter Handke, “Langsam im Schatten”.

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Das Sonett:

Or che ‘l ciel e la terra e ‘l vento tace
E le fere e gli augelli il sonno affrena,
Notte il carro stellato in giro mena,
E nel suo letto il mar senz’onda giace;

Vegghio, penso, ardo, piango; e chi mi sface          (bei Monteverdi: “Veglio” statt Vegghio, gleiche Bedeutung)
Sempre m’è inanzi per mia dolce pena:
Guerra è il mio stato, d’ira e di duol piena;
E sol di lei pensando ho qualche pace.

Così sol d’una chiara fonte viva
Move ‘l dolce e l’amaro, ond’io mi pasco;
Una man sola mi risana e punge.

E perchè ‘l mio martìr non giunga a riva
Mille volte il dì moro e mille nasco;
Tanto da la salute mia son lunge !

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In einer “Wort zu Wort”-Arbeitsübersetzung, italienische Syntax beibehaltend:

Jetzt, da der Himmel und die Erde und der Wind schweigt     (… alles schweigt …)
und die Tiere und die Vögel der Schlaf bremst,
Nacht, ihren sternbestückten Wagen herumführt,
und in seinem Bett das Meer ohne Welle liegt,

wache, denke, brenne, weine; und wer (was) mich zerstört        (ich wache …/wache ich …)
ist mir immer präsent als süsse Last:
Krieg ist mein Zustand, mit Wut und Schmerz voll;
und nur über sie denkend habe ich etwas (einigen) Frieden.

Also, nur vor einer klaren Quelle, lebendigen,
bewegt (sich) Süsses und Bitteres, wo ich mich weide;
eine Hand allein genest mich wieder und sticht.

Und damit mein Martyrium nie ende (an-komme, an das Ufer komme)
tausend mal am Tag sterbe ich und tausend (mal werde ich) gebore(n);
so-weit bin ich von meiner Gesundheit (Wohlsein) entfernt.

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