Brecht, MUTTER COURAGE

1983     S / de / DE

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Freilichtspiele Chur, 1983

Plakat: Albi Brun

Präsident: Beda Frei

Bertolt Brecht: MUTTER COURAGE

Freilichtspiele Chur, Arcas
Premiere: 19. August 1983

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Regie: Gian Gianotti
Bühnenbild: Robert Indermaur
Musik nach Paul Dessau: Domenic Janett, Klarinette

Kostüme: Sonja Wolf
Requisiten: Hansjörg Gadient
Bauten und Beleuchtung: Mario Waser

Körpertraining: Manuela Trapp
Stimmbildung: Peter Jecklin und Ensemble
Mitarbeit Bühne: Daniel Rohner
Mitarbeit Kostüme: Marianne Krättli
Mitarbeit Organisation: Bea Cathomen

Fotos: Peter de Jong, Forti Anhorn

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Foto: Forti Anhorn

 

Plakat: Albi Brun
Layout Programmheft: Felix Rainolter

Rechte: Suhrkamp

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Robert Indermaur

Besetzung:

Mutter Courage: Ursina Hartmann
Katrin, ihre stumme Tochrter: Bettina Bisaz
Eilif, der ältere Sohn: Peter Jecklin
Schweizerkas, der jüngere Sohn: Hubert Kempter
Der Feldprediger: Gregor Vogel
Der Koch: Peter Haller

Yvette Pottier: Corina Curschellas
Der Werber: Paul Schmed
Der Feldwebel: Peter Meyer
Der Feldhauptmann: Philipp Lenz
Der Zeugmeister: Hansjörg Sacchet
Der Soldat mit der Binde: Urs Frei
Ein anderer Feldwebel: Adrian Fry
Der alte Obrist: Karl Höllrigl
Ein Schreiber: Thomas Vogel
Ein junger Soldat: Rolf Schmid
Ein älterer Soldat: Paul Schmed
Der singende Soldat: Adrian Fry

Eine Bauersfrau: Maria Schmid, sen
Eine andere Bauersfrau: Maria Schmid, jun.
Der junge Mann: Hansjörg Gadient
Die alte Frau: Bethli Obrist

Bauersleute:
Bethli Obrist
Maria Schmid jun. mit Mara Melcher / Florian Schmid

Ein Fähnrich: Hansjörg Sacchet
Erster Soldat: Peter Meyer
Zweiter Soldat: Urs Frei
Dritter Soldat: Moritz Gredinger
Vierter Soldat: Rolf Schmid
Ein Bauer: Paul Schmed
Eine Bäuerin: Maria Schmid, sen
Ein junger Bauer: Hercli Bundi

Lesende Kinder:
Barbara, Carlo, Claudio, Eveline, Lisa, Marcellina, Nina, Patrik

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Fotos: Peter de Jong

 

 

 

 

 

 

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WARUM MACHEN WIR HEUTE NOCH BRECHT
WAS HAT ER UNS HEUTE NOCH ZU SAGEN

MC83 als Antikriegsstück? als Warnung vor dem dritten Weltkrieg? Es wäre simpel und billig, Brecht auf diese alleinige vordergründige Aussage abzutun. Diese Aussage wird ihre Wahrheit und ihre Legitimität nicht nur im Jahre 1941 bei der Uraufführung gehabt haben, sondern auch sofort nach dem Krieg als Erfolgsstück auf fast allen Bühnen, und sicher auch noch heute unter uns. Aber eigentlich verstehe ich MC als ein Hoffnungsstück: die Hoffnung, dass der Mensch vielleicht doch noch aus seiner Geschichte lernen kann.

Brecht hat natürlich das Problem des Krieges und die Strukturen, die diese “Katastrophe” bewirken, immer wieder behandelt, studiert, in Gedanken und Werke geformt. Man kann sagen, diese Strukturen (so breit sie verstanden werden müssen) waren für Brecht, in irgend einer Form, ständig das Zentrum seiner Beschäftigung.

HAT UNS DIESES STUDIUM HEUTE NOCH ETWAS ZU SAGEN ?

Bertolt Brecht ist 1956 gestorben, wir leben jetzt noch, in Graubünden, in der Schweiz, betätigen uns mehr oder minder im Alltagskampf, im Geschäft des Lebens, um uns dieses Leben einzurichten. Irgendwie richtet sich diese Arbeit immer nach dem Leben, oder wenigstens nach dem Wunsch zu leben. Pervertierte Aussagen unserer Zeit wie “Es gibt auch wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben”, und das Erkennen dieser Perversion, zeigen Grundrichtungen an. Diese Grundrichtungen haben Bertolt Brecht beschäftigt. Man sehe mal die Liste der Bühnenwerke durch, die Brecht zurückgelassen hat, um sich  seine Theaterarbeit zu vergegenwärtigen, man beachte die Studien der mitmenschlichen Umgangsformen, die Brecht sein Lebtag gefordert hat: man studiere Brecht als Mensch unseres Jahrhunderts, der eingestanden ist für Gerechtigkeit und Klarheit in den mitmenschlichen Strukturen, als Arbeiter am Bau von Frieden und Leben..

HAT UNS BRECHT HEUTE NOCH ETWAS ZU SAGAEN  ?   UND MUTTER COURAGE  ? .

MC geht durch ihre Zeit (durch den 30-jährigen Krieg), Geschäfte machend, gewinnend, und vor allem verlierend. Sie lebt und leidet unter dem Prinzip der ständigen kleinen Kapitulation (“wenn ich aufmuck, möchts das Geschäft schädigen” – ihr Geschäft).

In ihrem Lied der grossen Kapitulation lernt auch sie, scheint auch sie zu lernen, wenigstens theoretisch. Ihre eigene Geschichte kann sie aber trotzdem noch nicht analysieren, nicht so sehr, dass sie auch die eigene Kapitulation im grösseren Geschäft des Krieges einsehen muss, und damit auch die Kapitulation des Menschen vor dem Krieg überhaupt.

So viel sieht sie nicht ein, denn so viel Einsicht würde auch ihr eigenes Leben in Frage stellen (und da verstehen wir sie doch …).

MC ist im Geschäft wie wir im Leben, sie muss das Geschäft befürworten wie wir das Leben, wenn wir weiterleben wollen. Sie ist mitten drin, sie tut ihr eigenes dazu um mitzugehen, aber sie wird auch mitgeschleppt. Wie soll sie ihre Situation aus jener Perspektive erkennen? (und das verstehen wir doch …).

Wie sind wir fähig, unsere Situation in unserem Lebenskampf zu erkennen, was gut und was schlecht ist über ein einzelnes Geschäft hinaus. Wie stellen, wie können wir uns im Ganzen in Frage stellen, und im Ganzen dann eventuell auch kapitulieren, um eine neue Richtung einzuschlagen …? Wir können es vielleicht nicht, und wir möchten es vielleicht gar nicht können (und da würde uns MC doch auch verstehen).

Und doch haben wir am Schluss des Stückes das Gefühl, vielleicht die Sicherheit, mehr als sie eingesehen zu haben..

WIEVIEL MUTTER COURAGE IST HEUTE NOCH IN UNS  ?.

Viele kleine Kapitulationen in einer Richtung verhindern ja eigentlich die grosse Kapitulation vor der Richtung. Die kleinen passieren, damit die grosse nicht muss.

Der dritte Weltkrieg (aus Brechts Perspektive von 1939 der zweite) ist ja nur ein Ergebnis des Lebens, der Lebensform jetzt: was ist denn unsere eigene Verantwortung im Leben jetzt (?), was unsere Perspektive im Machtkampf des Alltags (?), was unsere Aussicht in der Umweltgestaltung (?), was unsere Mitbeteiligung am Vertuschen der kleinen Unzufriedenheiten (?), was unser Beitrag am Kompensieren unerreichter Teilschritte (?), was die Erziehung unserer Umwelt für unsere Ziele (?), wo sind unsere ständigen Kapitulatiönchen, und wie oft kapitulieren wir vor kleinen Unfreiheitchen und sehen nicht den etwas grösseren Rahmen unseres Lebens, unseres Jahrhunderts, unserer Geschichte und unserer, und anderer Zukunft.

WAS HAT UNS BRECHT HEUTE NOCH MIT MUTTER COURAGE ZU SAGEN  ?.

Vielleicht würden wir sehend, unsere Richtung etwas anders bestimmen, wie es vielleicht auch MC hätte, sehend.

Mein Wunsch wäre, dass wir den Mut und die Kraft hätten, noch vor der nächsten Zerstörung, unser mögliches Teilgeschäft zugunsten einer neuen Richtung aufzugeben. Und nicht erst vor der allerletzten Zerstörung, im dritten Weltkrieg.

So möchte ich MC und Brecht verstehen.

 

Gian Gianotti, 1982/83

So viele Berichte,
So viele Fragen

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Die erste Szene, Premièrenfoto von Forti Anhorn, 19. August 1983

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ES KOMMT EIN TAG, DA WIRD SICH WENDEN
DAS BLATT FÜR UNS, ER IST NICHT FERN.
DA WERDEN WIR, DAS VOLK, BEENDEN
DEN GROSSEN KRIEG DER GROSSEN HERRN.

DIE HÄNDLER ALL, MIT IHREN BÜTTELN
UND IHREM KRIEGS- UND TOTENTANZ
SIE WIRD FÜR EWIG VON SICH SCHÜTTELN
DIE NEUE WELT DES G’MEINEN MANNS.

ES WIRD DER TAG, DOCH WANN ER WIRD
HÄNGT AB VON MEIN- UND DEINEM TUN:

DRUM WER MIT UNS NOCH NICHT MARSCHIERT
DER MACH SICH AUF DIE SOCKEN NUN !

 

Bertolt Brecht, Spätes Gedicht zu Mutter Courage

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Das Programmheft:
>>>  MUTTER COURAGE, Programmheft    pdf 28 Seiten

 

 

 

 

Grosse Fotogalerie von Peter de Jong
>>>    MUTTER COURAGE, Proben und Aufführungen      54 Fotos, SW
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Pressestimmen:

Die Besprechungen:
>>>  “Mutter Courage” in der Altstadt,  Vaterland  MdM  25.8.83 
>>>  Mutter Courage auf der Suche nach dem Frieden,  Aargauer Tagblatt  Ma.  24.8.83 
>>>  Ein Lehrstück zur Kriegsverhütung,  Der Landbote  MdM  24.8.83 
>>>  Brechts Mutter Courage in Chur,  St.Galler Tagblatt,  MdM  24.8.83 
>>>  Wie Brechts “Mutter Courage” nach Chur kommt,  Tages Anzeiger,  Christian Jauslin  22.8.83 
>>>  Mutter Courage: Lange Löffel machen den Frass nicht besser,  BZ  uk.  22.8.83 
>>>  “Mutter Courage” gelungene Premiere,  Bündner Tagblatt, Oscar Eckhardt  22.8.83

Die Vorbereitungen:
>>>  “Mutter Courage” auf dem Arcas, Premiere,  WB ObTG  tin.  19.8.83 
>>>  Morgen Abend ist es so weit,  Bündner Zeitung  pdj  18.8.83
>>>  Graubünden Chur, Auf dem Arcas,  Bündner Tagblatt  ose.  18.8.83 
>>>  Das Stück ist heute so brisant wie eh und je,   Bündner Zeitung,  bz.  6.8.83
>>>  Der Rahmen für Brechts “Mutter Courage” ist gesteckt,  BZ  PdJ.  21.7.83 
>>>  Drittes Churer Freilichtspiel in Sicht,  Bündner Tagblatt  ose.  21.7.83
>>>  Chur wird nochmals Brecht-Stadt,  Bündner Zeitung  Bou.  12.7.83
>>>  Seit gestern wird geprobt,  Bündner Zeitung,  pdj.  5.7.83 
>>>  Brechts “Mutter Courage” in Chur,  Musik&Theater,  Nr.4,  April 1983 
>>>  “Brecht kann Jahrzehnte versetzen”,  Bündner Tagblatt  T.M.  22.3.83
>>>  Gian Gianotti inszeniert Brechts “Mutter Courage” auf dem Arcas,  BZ  pdj.  10.3.83
>>>  “Spielregel” für die Benützung des Arcas aufgestellt,  Bündner Zeitung,  (mtgt.)  4.2.83 
>>>  Freilichtspiele auf dem Arcas, Churer Amtsblatt Nr.5,  4.2.83
>>>  Lebhafte Aussprache wurde vertagt,  BZ  (-r).  9.12.82 
>>>  Freilichtspiele Chur 1983 mit einem Bündner Stück?  BZ  ke.  9.12.82 

 

 

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Goldoni, CAMPIELLO

1981     S / dt / D / EA

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Skizze von Robert Indermaur

Plakat: Albi Brun

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Goldoni/Eigenproduktion: CAMPIELLO

Freilichtspiele Chur, Gian Gianotti

 

 

 

Carlo Goldoni: Campiello
Übersetzung und Texteinrichtung von Gian Gianotti

Freilichtspiele Chur, Arcas
Premiere: 29. August 1981

 

Inszenierung: Gian Gianotti
Bühnenbild: Robert Indermaur
Kostüme: Barbara Indermaur
Musik: Gusti Berchtold (italienische Volkstänze aus der Zeit)
Regieassistenz: Yvonne Kocherhans
Grafik: Albi Brun

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Besetzung:  

Gasparina: Renata Jenny
Donna Catte: Bethli Obrist
Lucietta, ihre Tochter: Bettina Bisaz
Donna Pasqua: Angelica Biert
Gnese, ihre Tochter: Claudia Carigiet
Orsola: Maria Schmid
Zorzetto, ihr Sohn: Andrea Zogg
Anzoletto: Oliver Krättli
Cavaliere: Rolf Parton
Fabrizio, Onkel der Gasparina: Paul Schmed
Sansuga: Ermanno Chiavi

Musiker:
Gusti Berchtold, Reto Senn, Ruedi Stamm

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18 Vorstellungen:

Premiere 29. August
Vorstellungen täglich vom 31. August bis Mittwoch 16. September

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Gedanken zum CAMPIELLO

Auch wenn es Goldoni in seinen “Memorie” mit dem CAMPIELLO nur so kurz und schnell abrechnet (er widmet ihm nur eine halbe von 600 Seiten), ist ihm ein sehr wertvoller Wurf gelungen. Von seinen 150 Komödien kennt man in deutscher Sprache nur an die 20, und es hätte noch etliche, die einen wahrlichen Genuss bieten könnten. CAMPIELLO ist von einer solchen schlichten komödiantischen Art, die einem Zuschauer einen wahren Genuss im Betrachten der Charaktere vermittelt.

Die Geschichte ist ziemlich banal: Menschen menscheln. Im langen Spiel um soziale Stellung, Konfrontation, um Liebe und Geborgenheit, um Arbeit, Spiel und Profit, gehen da Leute, vor allem Frauen, den Weg des geselligen Zusammenlebens auf einem Platz des alten Venedigs nach.

Dass uns diese “Venezia” des Jahres 1750 erstrebenswert und intakt erscheinen soll liegt sicher nicht im Grundgedanken von Goldoni. Il Campiello (der kleine Platz) ist nicht intakter als andere Plätze, aber dieser lebt. Uns Zuschauern von heute kann das Bild etwas vom italienischen Wohnquartier vermitteln, und zeigen, wie Menschen leben wollen und um menschliche Ansprüche kämpfen. Da sind Leute, die hier und nicht anderswo, die jetzt und nicht irgendwann aktiv leben wollen, Leute, die Bekannte als Bekannte und Fremde als Fremde aufnehmen können. Und das kann uns heute schon noch etwas bedeuten.

Gian Gianotti, Januar 1981

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Zur Übersetzung  

Was ich mit dem Stück versuchen wollte, lag schon im Grundgedanken für die Übersetzung: Ich wollte das mehrheitlich im venezianischen Dialekt geschriebene Stücke in eine Sprache übersetzen, die auch hier als natürlich und dialektal angesehen wird. Das natürliche Spiel vom venezianischen Volk sollte (…) auch übersetzt, italienisch bleiben. (…) Mit dieser Übersetzung  wollte ich versuchen, der Sprache bereits auch die Spielform mit ins Wort zu vermitteln. Das Goldoni-Stück sollte kein Stück von Goldoni werden, sondern ein Goldoni-Stück bleiben.

So habe ich meine Mehrsprachigkeit derart eingesetzt, dass ich das Verständnis von Sprache und Kultur (Lebensform) Italiens mit deutschen Wörtern habe äussern wollen … aber das venezianische Wort ist nicht das italienische, da kamen gewisse Probleme auf. Strehler hat das Stück 1974 in venezianischer Sprache inszeniert, und er kennt die venezianische Volkskultur sehr genau. Goldoni ist kein Pirandello, wie Hebbel kein Krötz. Wie konnte ich nun diese venezianische Volkskultur und Lebensform (…) in eine deutsche Sprache übersetzen?

Venezia, Udine usw. waren noch Mitte des 18. Jahrhunderts Zentren der Ladinischen Sprache Italiens, wie auch noch Chur ein Zentrum der rätoromanischen Sprache war. Venezia und Curia/ Cuera/ Coira/ Cuoira /Cuira … waren ja verwandt. Und dazu blühten auch noch die Beziehungen untereinander. Also: Übersetzung des Stückes von Goldoni nicht nur über die italienische Hochsprache, sondern über die rätoromanische. Und dabei kam mir auch das Bargaiot (der Bergeller Dialekt – laut Caspar Decurtins in seiner Rätoromanischen Chrestomathie 1917: “Bergellisch” als “RUMANSZ D’BREGALIA”) sehr gelegen und zu Hilfe: Das sind Sprachen mit ähnlicher Syntax und mit ähnlichem Wort-“Sinn” (nach Ludwig Wittgenstein) …

So weit kamen wir mit der Übersetzung, dass ein Churer Mädchen nach einer Vorstellung sich lobend sagte: “i ha gär nit gwüsst, dass i so viil Italienisch ka!” … da hatte ich natürlich meine hellste Freude daran.

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Robert Indermaur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Stück

Carlo Goldoni hat das stück 1756 für seine Theatergruppe in Venedig geschrieben. Mit dieser Arbeit wollte er das Gespräch über das einfache Volk in Venedig weiterführen. Er wollte dem Publikum zeigen, dass das Volk nicht dumm, einfältig, streitsüchtig, dekadent und primitiv war. So wurde es meistens in den Komödien und in der öffentlichen Meinung dargestellt. Schon in PUTTA ONORATA (Das ehrliche Mädchen) wollte er dieses Gespräch führen, das gelang ihm aber nur sehr beschränkt. Mit CAMPIELLO, sieben Jahre später, konnte er das Gespräch sehr theaterwirksam führen – die Komödie gefiel.

Sehr durchsichtig in ihrer Einfachheit werden die Charaktere aufeinander losgelassen. Drei Mutter-Frauen kämpfen um ihre Stellung und um ihre Nachkommenschaft. Die zwei Mädchen und der Bub sind ausgewachsene junge Leute, aber trotzdem noch Kinder ihrer Mütter, ihre Kinder! Sie setzen das Spiel der Selbst-Bestätigung fort und wählen sich die Mitspieler fürs Spiel und fürs Leben., und werden noch lange Kinder und Partner als Besitz betrachten und behandeln.

In diesen Lebens-Schwarm sticht auch noch der Cavaliere, der ahnungslos in eine feste Struktur hineinstolpert und seine Freude daran findet. Er ist aber nicht nur zur Freude der Anwohner aufgekreuzt.

Sehr ähnlich wie der Cavaliere kann auch der Zuschauer Gefallen daran finden, zu sehen wie sich da Chancen und Gefahren anbahnen, gefährlich angepeilt und vollkommen offen angegangen werden: Eine Gratwanderung, die heute Menschenleben und Existenzen kosten könnte. Die Personen im Spiel, und höchstwahrscheinlich auch im Lebensbeispiel für Goldoni können sich aber darin bewegen und sich auch recht wohl fühlen, wie es so scheint: denn die “Schwierigkeiten” werden gar nicht angegangen, wie wir sie öfters in unserer Gesellschaft angehen wollen (analytisch, offen und ehrlich, gesprächsbereit!), geschweige denn gelöst. Es sieht so aus, als würden die Probleme bewusst nicht gelöst, um dem Leben nichts Lebenswertes abzunehmen.

Wahrzunehmen und wahrgenommen zu werden ist hier das Wichtigste. Besser Krach als Passivität, besser müde werden in der Konfrontation als frisch und “jung” bleiben in der Vereinsamung.

In der Inszenierung und Goldoni-Studie von Giorgio Strehler 1974 in Mailand am PICCOLO TEATRO wurde das soziale Spiel im CAMPIELLO analysiert. Das soziale Bewusstsein von Carlo Goldoni, seine klare Einsicht in menschliche Beziehungen und Freude an menschlichen Gefühlen und Schwächen mussten somit einen festen Bestandteil der Inszenierung werden: Goldoni als Ethnologe, Kritiker und Politiker der Sprache und des Lebensspiels.

Dieses Gespräch soll auch hier weitergeführt werden.

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Steivan Liun Könz

Gian Gianotti, Ende August 1981

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Das Programmheft:

>>>  CAMPIELLO, Das Programmheft      pdf, 15 Seiten
>>>  Goldoni MEMORIE, Il contenuto      pdf, 1 pagina

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Pressestimmen:

>>>  Vorschau auf das nächste Jahr,  Bündner Zeitung, 4..12.1980
>>>  Goldonis “Campiello” – ein Schauspiel für alle Bündner,  Bündner Zeitung,  16.7.81
>>>  Carlo Goldoni, der Erneuerer der Commedia dell’arte Bündner Zeitung, 23.7.81
>>>  Auf Probenbesuch bei “Campiello”: Noch 23 Tage Schwerarbeit,  Bündner Zeitung, 6.8.81
>>>  Volksnahe Theaterarbeit, Heinz Kerle im Gespräch mit Gian Gianotti,  Bündner Zeitung, 11.8.81
>>>  Eine Stierkampfarena auf dem Arcas in Chur?  Bündner Zeitung, 17.8.81
>>>  Premiere schon fast ausverkauft,  Bündner Zeitung, 27.8.81
>>>  Ich sage lieber ‘huara Saich’ als ‘verdammter Mist’,  Bündner Zeitung, 29.8.81
>>>  Im Dialekt spontan und originell,  Bündner Tagblatt, 31.8.81
>>>  Viel Leben in kleiner Gemeinschaft, Bündner Tagblatt, 3,9,81
>>>  “Campiello” von Steivan Liun Könz mitgezeichnet und interpretiert,  Bündner Zeitung, 12.9.81
>>>  Nach dem “Campiello”: Weiterarbeit wird von der Stadt unterstützt,  Bündner Zeitung, 21.9.81
>>>  Defizitgarantie nicht ausgeschöpft,  Bündner Tagblatt, 17.11.81

 

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Gianotti, SZENEN FÜR SECHS SCHAUSPIELER

1974     S / DE / UA

 

 

Klibühni Schniderzumft Chur, Organisation Robert Indermaur

Gian Gianotti:  SZENEN  FÜR  SECHS  SCHAUSPIELER
Erste Theaterproduktion in der Klibühni, zur Definition des Theaters.

Premiere: 17. August 1974, Uraufführung
Weitere Aufführungen täglich bis 24. August um 20.00 Uhr

Studie über die Entwicklung des Individuums vom Anfang bis zur Grossen Gemeinsamkeit
Die Szenenabfolge der Vorstellung können Sie im Programmheft Seite 7-9 einsehen.

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Spiel
Irene Hardt
Ursina Hartmann
Eva Hildebrandt
Christiane Lanius
Brigitte Rehan
Tobias Sonderegger

Musik
Roland Müller

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Dramaturgie, Raumgestaltung und Regie:  Gian Gianotti
Nach einer ersten Fassung  >>>  SCENA RITMICA PER SES ACTUORS  (Rhythmische Szene für sechs Schauspieler)  mit Freunden und Studenten im Engadin im Rahmen der  LADINA  CENTRALA  1973  in Ardez.

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Technik: Marco Olgiatti
Kostüme: Barbara Gerber
Photo: Fortunat Anhorn

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Szenen für sechs Schauspieler
>>>  Das Programmheft   –  pdf, 15 Seiten, mit einigen Fotos aus den Proben

 

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Pressestimmen:

Premiere in der Klibühni
Am vergangenen Samstag fand in der “Klibühni Schnidrzumft” die Première des Stückes “Szenen für sechs Schauspieler” statt … In einem grossen Sägemehlkasten nehmen sechs Schauspieler unter einer Decke ihre Ausgangsstellung ein. Stufe um Stufe wird nun die ganze Entwicklung des menschlichen Wesens vor Augen geführt … (Neue Bündner Zeitung, lm  21. August 1974)     >>>  Neue Bündner Zeitung, 21. August 1974

Gianotti und sein experimentelles Theater
Dem hohen Niveau des Theaterstücks kommt der Titel “Szenen für sechs Schauspieler” kaum gerecht; der Theaterbesucher fühlt sich dadurch nicht angesprochen. In einem beispielhaft zusammengestellten Programmheft finden wir den Untertitel “Studie über die Entwicklung des Individuums vom Anfang bis zur Grossen Gemeinsamkeit”. Das anspruchsvolle Theaterstück … erfasst mit dieser Erläuterung den Sinn und den Inhalt der Philosophisch inspirierten Szenen … Das Publikum zeigte unerwartet grosses Verständnis. (mdm, Bündner Tagblatt, 21. August 1994)    >>>  Bündner Tagblatt 21. August 1974

Eine Studie, die Beachtung verdient
Gelegentlich rumort es auch in der Köpfen der Theaterschaffenden lang und fürchterlich.
Aus der Unrast und dem Missmut über die “Gegebenheiten” wachsen Bewegungen, die gegen ein Theater des geschlossenen Systems revoltieren und neue Möglichkeiten suchen.
Beispiele gibt es viele. Das Living Theatre wurde zu einem Vorbild der offenen Form. Grotowski hat mit seinem Laboratorium vor allem jungen Gruppen wesentliche Impulse gegeben, Impulse, die in alle grossen Städte drangen und rund um die Welt fuhren.
Die Bewegung ist nun nach Chur gegangen und dort mit Volldampf eingetroffen.    >>>  Tages Anzeiger 27. August 1974

 

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